Episode – Fremdwort der Woche

Episoden gibt es überall. Die Amtszeit mancher Minister*innen bleibt bisweilen schon mal eine Episode. Gelegentlich sind auch Liebesbeziehungen leider nur eine Episode. Manche psychischen Erkrankungen sind von depressiven Episoden geprägt. Meistens aber heizen Produzent*innen von Fernsehserien ihr Publikum damit an, dass sie die neuste Episode von The Stand oder The Morning Show oder Servant im Wochenabstand auf Streamingportalen platzieren, die man deswegen monatelang abonnieren muss, um nur ja keine Folge zu verpassen. 

Und damit sind wir gar nicht so weit weg vom Ursprung des Begriffs. Zumindest bleiben wir im Bereich „Schauspiel“. Ein ἐπεισόδιον (epeisódion) ist nämlich ursprünglich ein fester Bestandteil einer jeden griechischen Tragödie. Die bestehen nämlich nicht aus Akten, wie wir es heute meistens von Theaterstücken kennen, sondern wurden anderweitig gegliedert.

Im ersten Moment klingt es etwas ungewohnt, aber die einzelnen „Szenen“ eines solchen Theaterstück wurden durch Lieder getrennt. Ja, tatsächlich: Griechische Tragödien (und auch Komödien) erinnerten im Original mehr an ein Musical oder eine Operette. Dass wir die Musik heute nicht mehr kennen, sondern nur noch den blanken Text haben, ist dabei eine besonders blöde Sache. 

Jedenfalls gibt es in der Tragödie einen Chor. Und mithilfe seiner Lieder wird eine Tragödie gegliedert. Es gibt da den Prolog („Vorrede“), das ist alles, was vor dem ersten Chorlied gesprochen und gespielt wird. Dann tritt der Chor das erste Mal auf, das nennt sich Parodos („Einzug“ des Chors). Und dann folgt die erste Erweiterung des Stückes, ein Epeisodion, was buchstäblich „Zusatz“ oder „Erweiterung“ bedeutet. Zwei oder drei Schauspieler spielen etwas, was wir heute eine „Szene“ nennen würden. 

Handlung ist überbewertet

Das ist übrigens bezeichnend, denn in der Forschung geht man davon aus, dass die Chorlieder der ursprüngliche Kern der späteren Tragödien waren. Dialoge und Spielszenen, die wir ja heute für das wesentliche Merkmal eines Theaterstücks, Films oder einer Fernsehfolge halten, scheinen erst später entstanden zu sein. Sie waren also eine Erweiterung der ursprünglichen Chordarbietung. Vielleicht spiegelt der Begriff „Epeisodion“ (Zusatz) diese Entwicklung noch wider.

Natürlich bleibt es nicht bei dieser einen Erweiterung. Singt der Chor ein weiteres Lied, nennt man dieses Lied ein „Stasimon“. Und danach kommt selbstverständlich wieder ein weiteres Epeisodion. Das setzt sich so lange fort, bis die Handlung zu Ende ist, der Chor sein Schlusslied singt und auszieht. Das nennt sich dann – Bibelkenntnisse zahlen sich an dieser Stelle aus – Exodos.

In den „Szenen“, also den Epeisodia, wird die Handlung der Tragödie weitergeführt. Der Chor ist (in den meisten Fällen) kein eigener Handlungsträger, sondern dafür da, mit seinen Liedern die Ereignisse zu kommentieren. Die Handlung einer Tragödie ist also in Episoden unterteilt. Und da sind wir im Grunde schon sehr nah an der heutigen Verwendung des Begriffs. 

Eine Woche Chorlieder bis zur nächsten Folge

Die Episode einer Serie ist ein Handlungsstück, das heute aber in aller Regel nicht mehr von einem Chor unterbrochen wird. Heute müssen wir einfach eine Woche warten, bis die nächste Episode zu sehen ist. Oder beim Binge-Watching leicht genervt zur Fernbedienung greifen, um den Vorspann und den Rückblick zu Beginn der nächsten Folge zu überspringen. 

Schon in der Antike wanderte der Begriff übrigens von der Tragödie in andere literarische Gattungen. In der Lyrik und auch in der Rhetorik konnte der Begriff auch für einen „Sub-Plot“, also eine Nebenhandlung, stehen.

Und das wiederum ähnelt einer anderen Bedeutung, die der Begriff „Episode“ heute haben kann. Wenn wir ihn in der Geschichte, Politik und Weltgeschehen verwenden, dann wollen wir damit ausdrücken, dass da etwas abgelaufen ist, das erstens keinen Bestand hatte und zweitens langfristig auch keine größere Relevanz haben wird.

Thomas Kemmerich als Ministerpräsident war für viele ein Ärgernis, blieb aber auch eine Episode. Andreas Scheuer als Verkehrsminister ist leider keine Episode geblieben. Ebensowenig Julia Klöckner als Zuckerministerin. Aber das ist eine andere Geschichte. 

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert