„Rise like a Phoenix“ sang Conchita Wurst beim ESC 2014. Und auch Hogwarts-Schulleiter Albus Dumbledore in den Harry-Potter-Büchern besitzt natürlich standesgemäß einen Phönix. Der wundersame Vogel ist bis heute Teil der Popkultur und in Büchern, Filmen und der Musik vertreten.
Sein besonderes Kennzeichen neben seinem meist feuerfarbenen Gefieder ist, dass er am Ende seines Lebens in Flammen aufgeht und aus seiner eigenen Asche wiedergeboren wird. „Wie Phönix aus der Asche“ ist schließlich eine Redensart, die wir immer noch für eine unerwartete und beeindruckende Rückkehr benutzen.
Der Feuervogel hat seinen Ursprung in der Antike. Bis in unsere Zeit hat er eine lange Entwicklung durchgemacht. Denn dass der Vogel seiner eigenen Asche entsteigt, war am Anfang überraschenderweise gar nicht Teil der Erzählung.
Woher kommt der Phönix?
Der Name „Phönix“ ist griechisch und die Bedeutung des Namens nicht abschließend geklärt. Die Geschichte des Vogels ist aber noch älter und stammt aus Ägypten. Dort hieß der Vogel bnw. Die Vokale sind uns leider aus dem Altägyptischen nicht mitüberliefert. Aus Lesbarkeitsgründen werden wir in diesem Artikel benu schreiben, was der modernen Schulaussprache des Altägyptischen entspricht. Und der benu war im Gegensatz zu dem heutigen Fantasiewesen noch ziemlich genau mit einem Vogel identifizierbar: im Alten Reich (bis etwa 2200 v. Chr.) vermutlich mit einer Bachstelze,1 ab dem Mittleren Reich (ab etwa 2200 v. Chr.) doch sehr eindeutig mit einem Reiher.
Der benu steht dabei in enger Verbindung zum Sonnengott Re. Er ist von selbst entstanden, das heißt, nicht wie alle anderen Wesen auf der Welt geboren worden, sondern war einfach schon immer da. Diese religiöse Vorstellung geht vermutlich darauf zurück, dass sich nach dem Rückgang der Nilflut Reiher als erste wieder auf den herausragenden Inselchen niederließen. In einem der zahlreichen ägyptischen Schöpfungsgeschichten steigt der Urhügel, das, was später die bewohnbare Welt wird, aus der Urflut auf – und die Deutung, dass sich dort auch als erstes der benu-Reiher niederließ, liegt dann nahe. Ewiges Leben in die eine Richtung, also in die Vergangenheit, ist also schon mal gegeben.
Die Sonne der Nacht
Wie bereits erwähnt, war die Verbindung des benu mit dem Sonnengott Re besonders eng. Re ist aber nur die Sonne am Tag. Der Sonnengott wird am Morgen von der Himmelsgöttin geboren, durchzieht den Himmel und stirbt am Abend wieder. Die Frage, wo die Sonne eigentlich in der Nacht ist, haben sich die Ägypter*innen aber auch schon gestellt. Die Antwort: In der Unterwelt. Der Sonnengott versinkt im Westen und tritt damit in die Unterwelt ein. Dort muss er eine gefährliche und mysteriöse Reise unternehmen, bei der er sich verjüngt und am nächsten Morgen wieder im Osten aufgehen kann.
Wichtigster Bestandteil dieser Unterweltsfahrt ist die Vereinigung von Re und Osiris in der mittleren Stunde der Nacht. Die beiden gehen eine Art Symbiose ein. Re als Sonnengott lässt die Bewohner*innen der Unterwelt, inklusive Osiris, wieder aktiv werden. Osiris als Gott der Auferstehung spendet Re im Gegenzugseine verjüngende Macht. Wie das Ganze genau funktioniert hat – Geheimnis des Glaubens. In diesem Moment aber werden beide Götter eins. Durch seine Verschmelzung mit Re wird Osiris zur Sonne in der Nacht. Er hat die Macht zu verjüngen und sorgt dafür, dass die Sonne am nächsten Morgen wieder aufgeht.2 Davor, dass das nicht passieren könnte, hatten Ägypter*innen ungefähr so viel Angst wie gewisse Gallier davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt.
Mit diesen beiden Gottheiten, mit Osiris und Re, steht nun auch der benu in Verbindung. Denn er ist der Ba dieser beiden Gottheiten.3 Mit dem Ba bezeichneten die Ägypter*innen eine geistige Kraft, eine ihrer Seelen. Davon gab es wirklich mehrere. Das ägyptische Menschenbild ist sehr viel differenzierter als nur Körper und Seele. Der Ba ist der bewegliche Teil der Seele, der zwischen Diesseits und Jenseits auch außerhalb eines Körpers herumwandern kann. Symbolisiert werden menschliche wie göttliche Bas naheliegenderweise durch Vögel, in diesem Falle durch den benu.
Das war nun sehr viel komplexe, altägyptische Theologie auf einmal. Deshalb sei hier das Wichtigste noch einmal zusammengefasst: Der Phönix bzw. benu steht in Ägypten im Zusammenhang mit der Sonne und hat die Macht sich zu verjüngen. Als Teil des Sonnengottes sorgt er bei der Reise durch die Unterwelt, durch das Reich der Toten, dafür, dass sich das Leben erneuert.
Die Sache mit der Asche
Bei den Ägypter*innen war der Phönix aber noch nicht dafür bekannt, in Flammen aufzugehen und aus seiner eigenen Asche wiedergeboren zu werden. Diese Erzählung stammt erst aus griechisch-römischer Zeit. Der erste Grieche, der uns von einem wundersamen Vogel aus Ägypten erzählt, ist der Historiker Herodot. Er berichtet, dass er gehört habe, dass es in Ägypten einen Vogel gebe, der Phönix genannt werde. Dieser Vogel kommt aber nur einmal in seinem langen Leben, nämlich alle 500 Jahre nach Ägypten, weil er die Leiche seines Vaters in den Tempel von Heliopolis fliegeund ihn dort in einem riesigen Ei bestatte.4
Die Lebensspanne von 500 Jahren hat keine Entsprechung in der altägyptischen Mythologie. Die manchmal aber auch angegebene Lebensdauer von 1460 Jahren entspricht aber sehr wahrscheinlich nicht zufällig genau der Länge eines ägyptischen Sothis-Zyklus. Dabei geht es um die Vorhersage der jährlichen Nilflut, die (tatsächlich zufällig) mit dem Aufgang des Sirius-Sterns zusammenfiel.
Ganz genau trafen diese beiden Naturereignisse im Kalender aber dann doch nicht zusammen, so dass es jedes Jahr zu leichten Abweichungen und Verschiebungen des Sirius-Aufgangs im ägyptischen Kalender kam. Nach ägyptischen Berechnungen dauerte es 1460 Jahre, bis das Gestirn einmal durch den ägyptischen 365-Tage-Kalender gewandert war und seinen Ausgangspunkt wieder erreicht hatte. Moderne Berechnungen haben ca. 1424 Jahre (in Ägypten) ergeben. Da waren die Ägypter*innen in jedem Fall schon ziemlich nah dran. Diese 1460 Jahre bezeichneten die Ägypter*innen als Sothis-Jahr und sie bilden denZyklus mit der längsten Zeitdauer in Ägypten – Tage, Monate, Jahre, selbst Jahrhunderte sind im Vergleich zum Sothis-Jahr eben gar nichts. Dem mysteriösen Phönix also ausgerechnet diese Lebensspanne zuzuschreiben, war kein Zufall.
Auch Plinius der Ältere widmet sich dem Wundervogel. Er beschreibt ihn als goldglänzend am Hals uns ansonsten mit einem roten Gefieder versehen. Im Alter baue sich dieser Vogel ein Nest aus Weihrauch – schon damals Symbol des Heiligen – und fülle das Nest mit Rauchwerk, um dann zu sterben. Nach dem Erlöschen der Flammen entstehe daraus ein Wurm, aus dem ein neuer Phönix wächst.5 Biologisch etwas fragwürdig – und so findet man in anderen Quellen auch ein Ei, das zurückbleibt.
Die Geschichte, dass der Phönix sich selbst verbrennt, um daraus wieder zu entstehen, stammt also aus der römischen Kaiserzeit.
Der Phönix im Christentum
Dass der Phönix aber überhaupt so lange in unserer Kultur überlebt hat, verdankt er sicher auch der Tatsache, dass schon frühe, christliche Autoren den Feuervogel aufgriffen. Denn auch sie hatten eine ganz furchtbar abstrakte Geschichte, die sie vermitteln mussten, nämlich die Sache mit der Auferstehung. Auferstehung fand in der griechisch-römischen Welt in offiziellen Kulten nicht statt. Wer tot war, blieb tot, auch wenn es Ausnahmegestalten der Mythologie wie Orpheus oder Aeneas in die Unterwelt und wieder hinaus geschafft hatten.
Wer bitte sollte den frühen christlichen Autoren so etwas Abstruses wie Auferstehung glauben? Da lag es doch nahe, wie z. B. Tertullian (gestorben um 220 n. Chr.) es tat, den Phönix als Beleg heranzuziehen. Es gab Auferstehung in der Welt, Geschöpfe, die starben und wieder entstanden und wenn selbst Vögel auferstehen konnten – warum sollte es beim Menschen anders sein?6
Auch hier ist die Asche nicht zu vernachlässigen. Denn Asche ist ein Reinigungsmittel. Na gut, sie ist als solches etwas aus der Mode gekommen, aber sie war es lange Zeit. Mit dem Tod reinigte sich der Phönix also selbst und erstand nicht nur einfach wieder auf, sondern erstand rein wieder auf. Auch dieser Gedanke, dass ein auferstandener Mensch geläutert und rein ist, blieb für das Christentum wichtig.
Nach und nach wurde der Phönix also auch zum Symbol der Auferstehung Jesu Christi und damit enorm wichtig für das Mittelalter und die Neuzeit. Dieser Verknüpfung mit dem Christentum ist es zu verdanken, dass der Phönix so populär wurde, in Kirchen dargestellt wurde, seine Geschichte von der Auferstehung weiter erzählt wurde und er so bis in die heutige Zeit präsent blieb. Sonst hätte Dumbledore bestimmt keinen Phönix.
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