katholisch – Fremdwort der Woche

Wenn man hundert Katholik*innen fragen würde, was denn ihre Glaubensbezeichnung „katholisch“ überhaupt bedeutet, würde der Großteil es sicher nicht wissen. Woher kommt „katholisch“ also? Und welche Glaubensrichtung ist denn nun überhaupt katholisch? Und warum ist die Verwendungsweise des Begriffs schon reichlich verwirrend?

Evangelische Christ*innen müssen sich meist nicht lange überlegen, was „evangelisch“ eigentlich bedeutet: Sie sind diejenigen, die sich auf das Evangelium berufen und dieses im Zweifel als Entscheidungskriterium heranziehen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Regel steht nicht im Evangelium, dann gilt sie auch nicht. Das ist zum Beispiel bei der von anderen Konfessionen praktizierten Priesterweihe der Fall. Die radikale Ausprägung dieses Denkens nennt man übrigens evangelikal.

Die Herkunft des Wortes „katholisch“ lässt sich eigentlich auch relativ schnell erklären. Sie  bringt aber auch gleich das Problem dieses Begriffs auf den Tisch. Er setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern katá (κατά): „im Bezug auf“ und hólos (ὅλος): „vollständig, ganz“. Katholisch bedeutet also „die Gesamtheit betreffend“. Fragt sich nur, wer denn zur „Gesamtheit“ aller Christ*innen dazugehört. Und das wird noch, wie wir gleich sehen werden, unglaublich kompliziert. 

In der Bibel ist übrigens nirgendwo von „katholisch“ die Rede. Der Begriff ist aber trotzdem schon relativ alt und nicht etwa erst entstanden, um sich von Protestant*innen abzugrenzen. In frühchristlichen Quellen ist damit die Gesamtheit aller christlichen Kirchen gemeint, die das Glaubensbekenntnis von Nicäa, das sogenannte Credo, anerkennen. Diese Definition diente vor allem dazu, Splittergruppen mit ganz anderen Vorstellungen vom Christentum außen vor zu lassen. An dieses Glaubensbekenntnis glauben aber auch Protestant*innen. Also – Überraschung – evangelische Christ*innen sind auch katholisch.

Die vielen Formen des Katholisch-Seins

Wenn wir in Deutschland von „katholisch“ sprechen, meinen wir meistens nämlich gar nicht nur „katholisch“, sondern „römisch-katholisch“. Das sind die Leute, die daran glauben, dass der Papst in Rom das Sagen hat. Die römisch-katholische Kirche bezeichnet sich selbst übrigens trotzdem als „die katholische Kirche“ oder noch allgemeiner einfach als „die Kirche“. Dahinter steckt ein gewisser Anspruch für alle Christ*innen zu sprechen, der einen ökumenischen Dialog nicht gerade vereinfacht. Denn die römisch-katholische Kirche ist nicht „alle Christ*innen“, auch wenn sie das mit der Beanspruchung des Begriffs „katholisch“ behauptet.

Wir machen es noch komplizierter, indem wir noch erwähnen, dass die römisch-katholische Kirche unter „römisch-katholisch“ auch etwas anderes versteht – nämlich den lateinischen Ritus der (ihrer Meinung nach) katholischen Kirche, in Abgrenzung zum griechisch-katholischen Ritus zum Beispiel. „Griechisch-katholisch“ ist übrigens keinesfalls dasselbe wie „griechisch-orthodox“, auch wenn die griechisch-orthodoxen Christ*innen auch katholisch sind, weil sie sich auch auf das Glaubensbekenntnis von Nicäa berufen. So, bis hierhin schon mal alle komplett verwirrt? – Dann weiter.

Mehrere katholische Kirchen?

Denn die römisch-katholische Kirche ist ja nicht die einzige Kirche, die „katholisch“ im Namen trägt. Es gibt ja zum Beispiel auch noch die altkatholische Kirche, die auch Teil der katholischen Kirche ist, aber nicht der römisch-katholischen. Der Hauptstreitpunkt mit den römischen Katholik*innen liegt hier im Wesentlichen in der Unfehlbarkeit des Papstes begründet, aber das nur so am Rande. In Deutschland ist die altkatholische Kirche nicht besonders präsent, in den Niederlanden sieht das aber zum Beispiel ganz anders aus.

Um ihren eigenen Standpunkt und die Unterschiede zu anderen genauer zu definieren, hat die Altkatholische Kirche der Niederlande dann auch ein Statut verfasst und darin heißt es: „Mit anderen katholischen Kirchen hat die Utrechter Kirche folgendes gemein:“ und dann kommt eine Aufzählung.1 Hier wird es noch ein bisschen abenteuerlicher, denn andere katholische Kirchen kann es ja neben der katholischen Kirche als per Definition Gesamtheit aller Christ*innen gar nicht geben.2

So liebe Leser*innen, wir belassen es hier mal dabei. Ihr könnt jetzt gerne alle mal drüber nachdenken, ob ihr katholisch seid und es bisher vielleicht noch gar nicht wusstet. Manchmal ist es eben doch nicht so leicht, wie man denkt.

  1. Urs von Arx: Der kirchliche und ökumenische Auftrag der Altkatholischen Kirchen der Utrechter Union. In: IKZ 98 (2008), S. 5–49.
  2. Der Ansatz ist natürlich pragmatisch und es ist klar, dass mit „anderen“ katholischen Kirchen die gemeint sind, die sich auch katholisch nennen, z. B. eben die römisch-katholische Kirche. Das versteht man. Es ist aber trotzdem unglücklich formuliert.

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