Transsylvanien – Fremdwort der Woche

Ich habe mich für das Fremdwort der Woche mal gefragt, was ich so über Rumänien weiß. Wie sich herausgestellt hat, nicht viel. Ein berühmtes Rumänien-Klischee kenne ich aber wie jede*r andere auch: Transsylvanien, wo es Schlösser gibt, im Winter meterhoch Schnee liegt und die bäuerliche Bevölkerung von blutdurstigen Vampiren terrorisiert wird. 

So weit also zu dem Gebiet, das wir seit Bram Strokers „Dracula“ eigentlich nur noch mit Vampiren verbinden. Denn Vampire leben in Transsylvanien, nicht etwa in Siebenbürgen, wie der deutsche Name der Region lautet. Vielleicht liegt das daran, dass Transsylvanien irgendwie mystischer klingt, düsterer, geheimnisvoller und irgendwie mehr danach als könnte man dort wirklich fabelhaften Gestalten begegnen.1

Bei einem Land, das Rumänien heißt und in dem die Einwohner*innen die romanische Sprache Rumänisch sprechen, könnte man meinen, dass die Region auch von den Römer*innen benannt worden ist, zumal „Transsylvanien“ ja wirklich sehr lateinisch aussieht. Ganz so einfach ist es aber mal wieder nicht.

Rumänien in der Antike

Die Römer*innen kannten das Gebiet schon, das heute Rumänien darstellt,  wenn auch nicht besonders gut. Seit Trajan das Gebiet nördlich der Donaumündung erobert hatte, war es seit 106 n. Chr. die Provinz Dakien (Dacia) und lag nördlich der Provinz Mösien (Moesia), von der man ja noch nicht ahnen konnte, dass sich der Name 2000 Jahre später auf Deutsch echt blöd anhören würde.

Die Daker*innen betrieben Ackerbau und Viehzucht, waren aber auch Spezialist*innen für Metallverarbeitung und Kunsthandwerk. Außerdem trieben sie Handel und sprachen zunächst ziemlich gut Griechisch und später auch Latein. Da sie aber ganz gerne mal die Nachbargebiete, also auch die römischen Provinzen, überfielen, waren sie in den Augen der Römer*innen in erster Linie „Wilde“.

Dann kommt ein Wald, da gehst du rechts. Dann kommt noch ein Wald…

Das waldreiche Bihor-Gebirge in den Apusen
Das Bihor-Gebirge in den Apusen, Razvan Antonescu, 2005, CC BY 2.0

In der Antike hieß das Gebiet also noch nicht Transsylvanien. Dazu musste man noch warten, bis Dakien um 900 von Ungarn besiedelt wurde. Der Name ist nämlich nur eine lateinische Übersetzung der ungarischen Bezeichnung Erdély (bzw. Erdeuelu), was „jenseits des Waldes“ bedeutet. Und genau dasselbe bedeutet Transsylvanien auch. Es setzt sich zusammen aus trans „jenseits“ und silva „Wald“. Die Schreibung sylva (mit y statt mit i) findet man im Latein des Mittelalters relativ häufig. Sie löst auch bis heute Verwirrungen über die korrekte Schreibung des letzten Tages im Jahr aus (Silvester oder Sylvester?).

Transsylvanien ist also das Gebiet, das jenseits des Waldes liegt. Und von Ungarn, also von Westen aus, betrachtet, ist das auch sehr zutreffend. Man muss immer die Apusen bzw. die Westkarpaten durchqueren, bevor man nach Transsylvanien gelangt. Und diese Region ist nicht nur sehr gebirgig, sondern auch sehr waldreich. Aus ungarischer Perspektive ist es also tatsächlich das Gebiet „hinter dem Wald“. Wenn man ehrlich ist, ist es das aber aus jeder Perspektive. Denn Transsylvanien bzw. Siebenbürgen wird von den waldreichen Karpaten umschlossen. Es ist völlig egal, von welcher Seite man kommt, man muss immer erstmal nach „hinter dem Wald“. Insofern ist der Name also sehr treffend und ausnahmsweise mal nicht westeuropazentriert.

Hinter dem Wald, aber keine Hinterwäldler*innen

Da im Mittelalter wie heute die wenigsten Menschen Ungarisch konnten, hat man auf Karten oder in anderen geographischen Werken den Namen einfach ins Lateinische übersetzt. Aus Erdély wurde also Transsylvania.

Latein konnte zwar auch längst noch nicht jede*r, aber wenigstens schon mal ein paar Menschen mehr. Vor allem war es für die meisten Menschen in Westeuropa im Vergleich zu Ungarisch aber relativ leicht auszusprechen.

Man hätte den Namen auch direkt weiter ins Deutsche übersetzen können. Dann wären die Bewohner*innen von Transsylvanien „Hinterwäldler*innen“ gewesen. Das hat man allerdings nicht getan. Der Begriff „Hinterwäldler*in“ ist eine Übersetzung des englischen Wortes backwoodsman aus dem 19. Jahrhundert. Also keine Hinterwäldler*innen im Gebiet hinter dem Wald. Das mit den Vampiren kann ja dann jede*r bei einem Rumänien-Urlaub mal selbst überprüfen gehen.

  1. Es soll dann ja auch noch in jeder Hinsicht fabelhafte Gestalten geben, die vom weit entfernten Planeten Transsexual Transylvania stammen, aber um diesen Planeten und seine Bewohner*innen geht es hier nicht.

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