Avatare begleiten uns mittlerweile fast überall auf Schritt und Tritt. Manchmal haben sie auch fancy Namen, wie „Mii“ oder „Memoji“. Aber im Kern handelt es sich immer um dasselbe Prinzip: ein virtuelles Abbild der realen Person. Dass so etwas „Avatar“ genannt wird, ist allerdings in gewisser Weise eine ziemliche Anmaßung.
Das Wort stammt aus dem Altindischen und schreibt sich auf Sanskrit so: अवतार (avatara). Das ist übrigens die Sprache (und das Schriftsystem), die Indiana Jones im „Tempel des Todes“ auf diesen komischen alten Stofffetzen liest.
Das Wort bedeutet zu Deutsch „Abstieg“. Gemeint ist damit aber vor allem der Abstieg einer Gottheit auf die Erde. Insofern kann es auch „Inkarnation“ bedeuten, nämlich dann, wenn eine Gottheit durch ihren Abstieg eine irdische Existenz annimmt.
Und das ist nun irgendwie schon eine kuriose Sache: Wir vergleichen also unsere Präsenz in digitalen Netzwerken mit dem Abstieg einer Gottheit in irdische Sphären. Dass es sich dabei wirklich gelegentlich um einen Abstieg handelt, ist nicht zu bezweifeln. Dafür muss man sich nur Twitter angucken. Aber eigentlich sollte man nicht nur auf Twitter rumhacken. Alle „sozialen Netzwerke“ haben so ihre Licht- und Schattenseiten.
Übrigens sind die Arten von Avataren heutzutage sehr vielfältig. Die meisten Menschen verstehen darunter schlicht ihr Profilbild in einem Netzwerk oder Forum, obwohl es sich dabei streng genommen nicht um einen Avatar handelt. Ein Foto ist ja nun mal ein Abbild der realen Person. Die Idee hinter dem Avatar geht aber einen Schritt weiter: Er soll individuelle Eigenschaften, Ideale und Werte, vielleicht sogar Glaubensvorstellungen oder den Status einer Person zum Ausdruck bringen. Insofern darf und soll ein Avatar äußerlich auch durchaus ganz anders aussehen als die Person, die wirklich dahintersteckt. Sehr plakative Beispiele sind sicherlich die Miis bei Nintendo oder die Memojis bei Apple.
Und dann gibt es natürlich noch die Metawelten wie Second Life oder World of Warcraft, in denen man nicht nur ein dreidimensionales Bild erschaffen, sondern damit auch buchstäblich eine zweite, virtuelle Existenz führen kann. Und das sind nur zwei Beispiele. Die Liste an modernen Spielen (vor allem RPGs), die auf mehr oder weniger aufwendige Avatare setzen, ließe sich hier endlos fortsetzen.
Wann der Begriff „Avatar“ erstmals in diesem modernen Sinn verwendet wurde, ist letztlich umstritten. Im Jahr 1979 tauchte er jedenfalls erstmals als Titel eines Computerspiels auf und wurde 1985 das erste mal im Sinne eines digitalen/virtuellen Gegenstücks zu einer realen Person im Spiel Ultima IV verwendet.
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