Melancholie – Fremdwort der Woche

Ihr werdet ganz melancholisch und schwermütig, wenn ihr den Mond über dem Meer aufgehen seht? Dann solltet ihr einen Arzt aufsuchen. Das hätte man euch zumindest in der Antike und bis ins 19. Jahrhundert hinein geraten. Heute sehen wir Melancholie etwas anders.

Die Melancholie kommt aus der antiken Medizin und bezeichnete dort verschiedene Gemütszustände oder sogar Krankheiten, die heute eher in Richtung Depression gehen. Melancholische Menschen sind schwermütig, traurig, trübsinnig und empfinden öfter einen generellen Weltschmerz. Das bedeutet aber noch nicht zwangsläufig, dass man im klinischen Sinne depressiv ist. 

Trotzdem hat man sich auch in der Antike schon gefragt, warum diese Menschen, sich von anderen unterscheiden. Und daher kommt auch der Begriff „Melancholie“. Dass Menschen ein unterschiedliches Temperament haben können, würden wir heute so wohl auch noch sagen. Der Begriff „Temperament“ bedeutet ursprünglich „richtige Mischung“. Wir würden das heute eher übertragen verstehen. In der Antike und im Mittelalter war das aber noch wörtlich gemeint. Denn es gab im Menschen tatsächlich etwas zu „mischen“.

Schon seit der Antike gab es in gebildeten, naturwissenschaftlich orientierten Kreisen die Vorstellung, dass der Mensch vier „Säfte“ in seinem Körper habe: Blut, Schleim, Galle und schwarze Galle. Zugeschrieben wird diese Theorie dem berühmten Arzt Hippokrates. (Der mit dem Eid.) Sie stammt aber wahrscheinlich nicht von ihm, sondern von seinen Nachfolgern.

An der Weiterentwicklung und Weiterverbreitung hat auch nicht unwesentlich der in Rom lebende, griechische Arzt Galen (2. Jhd. n. Chr.) mitgewirkt. Laut dieser Theorie gibt es eine „richtige“ Mischung der vier Körpersäfte. Dann sind Menschen gesund. 

Es könne aber vorkommen, dass Menschen von einem dieser Körpersäfte zu viel produzieren und sich so ein Ungleichgewicht einstellt. Je nachdem von welchem Saft zu viel vorhanden ist, äußern sich bei diesen Menschen verschiedene Symptome. Menschen, die zu viel Blut (lat. sanguis) in ihrem Mischverhältnis haben, sind Sanguiniker. Wer zu viel Schleim (griech. phlegma) hat, ist phlegmatisch. Wer zu viel Galle (griech. chole) hat, ist cholerisch. Und wer zu viel schwarze Galle (griech. melas: „schwarz“ und chole: „Galle“) hat, ist melancholisch.

Das könne sich dieser Theorie zufolge in unmittelbaren körperlichen Beschwerden äußern. Melancholische Personen leiden zum Beispiel angeblich häufig unter Thrombosen und Magenbeschwerden. Bekannter sind diese vier Typen von Menschen (Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker und melancholische Personen) aber vor allem durch die charakterlichen und psychischen Symptome dieses jeweils falschen Mischverhältnisses der Körpersäfte. 

So wurde für eine generelle Nachdenklichkeit, Schwermütigkeit oder für Stimmungsschwankungen, aber auch für tatsächliche Krankheiten wie Depressionen und Wahnvorstellungen ein Überschuss an schwarzer Galle verantwortlich gemacht, den man ausgleichen musste. 

Die Theorie von der Vier-Säfte-Lehre blieb bis in die Neuzeit einflussreich. Und auch wenn wir heute nicht mehr davon ausgehen, dass bei phlegmatischen, cholerischen oder melancholischen Menschen etwas mit den Körpersäften nicht stimmt, nach denen die Phänomene benannt sind, sind uns die Begriffe trotzdem erhalten geblieben. Sie bezeichnen heute nur eher Charaktereigenschaften.

Die Melancholie gibt es neben der Bezeichnung für nachdenkliche, in sich gekehrte und schwermütige Menschen seit 2022 aber doch auch wieder in medizinischer Verwendungsweise. Melancholie kann dort als eine bestimmte Unterart der Depression diagnostiziert werden, auch wenn heute natürlich niemand mehr die Ursache in einer Überproduktion von schwarzer Galle sehen würde.

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