analog – Fremdwort der Woche

Nachdem uns Livia in der letzten Woche schon darüber aufgeklärt hat, was unsere moderne digitale Technik mit Körperteilen zu tun hat, nehmen wir uns heute das Gegenstück vor: analog. Immerhin hat Livia uns schon verraten, dass für diesen Begriff kein Körperteil Pate stand.

Und genau genommen handelt es sich beim Wort „analog“ um zwei Wörter, denn es geht zurück auf den griechischen Ausdruck ἀνὰ λόγον (aná lógon). Wer mal ein wenig in die griechische Sprache hineingeschnuppert hat, weiß, dass λόγος (lógos) ein kompliziertes Wort ist, denn es hat unfassbar viele Bedeutungen. Es kann einfach „Wort“ oder „Sprache“ bedeuten (wie im Logo-päden), es kann aber auch „Vernunft“ („logisch“) oder „Zahl“ bedeuten, „Rechnung“ und so abgelegene Dinge wie „Rechenschaftsbericht“.

Die Autor*innen des entsprechenden Eintrags im Duden sind hier übrigens stehen geblieben und übersetzen das Wort „analog“ folglich mit „der Vernunft entsprechend“. Das kommt davon, wenn man einen Wörterbucheintrag nicht zu Ende liest. Eine der Bedeutungen ist nämlich auch „Verhältnis“, und so bedeutet ἀνὰ λόγον (aná lógon) wörtlich „im Verhältnis“. Und in dieser Bedeutung hat der Ausdruck auch seinen Weg in die Philosphie, die Physik und dann in die Elektrotechnik gefunden, und hier wiederum in besonderer Weise in den Bereich der Signalverarbeitung. 

Immer dann, wenn ein Stromfluss vorliegt, der mit einem Signal korreliert, dann spricht man von analoger Technik. Ein konkretes Beispiel macht das vielleicht besser deutlich.

Analog ist, wenn alles unter Strom steht

Schall verbreitet sich in Luftwellen. Möchte man Schall mit einem analogen Tonbandgerät aufzeichnen, dann werden die Stärke und Schwankungen der Luftwellen durch ein Mikrofon in Stromschwankungen übersetzt. Und diese Schwankungen zeichnet man auf, indem man den Strom auf die Abertausenden winzigen magnetischen Partikelchen lenkt, die sich auf der Oberfläche eines Tonbands befinden. Sie richten sich entsprechend aus und formen so ein Abbild des Schallereignisses. Alternativ kann man auch einen kleinen Schneidestichel durch die Stromschwankungen in Vibration versetzen. Dieser kleine Stichel kratzt ein Wellenmuster in eine rotierende Lackscheibe. Das ist das Prinzip der Schallplatte. 

Wichtig ist dabei, dass die Schwankungen der Stromstärke immer in einem Verhältnis zum Schall stehen. Die Schwankungen sind analog. Ist der Ton laut und hell, dann zeigt die Rille einer Schallplatte große und dicht aufeinander folgende Ausschläge. Ist der Ton leise und tief, dann sind die Ausschläge minimal und weiter voneinander entfernt. 

Bei der analogen Elektrotechnik gibt es dementsprechend auch fließende Übergänge. Das ist ganz natürlich, denn lässt die Lautstärke nach, dann wird auch der Stromfluss mit und mit geringer. 

Das ist bei der digitalen Technik grundsätzlich anders. Hier gibt es nur ganz oder gar nicht, 0 oder 1, an oder aus. Daher hat es auch sehr lange gedauert, bis man Verfahren entwickelt hatte, um so komplexe Dinge wie Schall oder gar Fotos digital wiedergeben zu können. Es würde hier den Rahmen sprengen, die komplexen Vorgänge bei der digitalen Schall- und Bildaufzeichnung zu erklären, aber dass es funktioniert, erleben wir täglich bei Apple Music, Netflix und Instagram. 

Warum der Begriff oft gar nicht passt

Dass wir den Begriff „analog“ heute für alles Mögliche verwenden, was eben nicht digital ist, ist streng genommen ziemlich falsch und hat mit dem Übergang von der analogen Schallwiedergabe zur digitalen seit den frühen 1980er Jahren zu tun. Da hat man sich angewöhnt, von analoger und digitaler Technik zu sprechen. 

Ein klassisches Foto dagegen, das man auf einem Film aufnimmt, kann nicht analog sein, denn es hat nichts mit Elektrotechnik zu tun, wenn ich einen Film einlege, Fotos schieße und sie später entwickeln lasse. Wenn man sich etwas mehr mit der Fotografie auskennt, könnte man sogar darüber philosophieren, ob die klassische film-basierte Fotografie nicht ziemlich viel mit der digitalen Bildverarbeitung gemein hat. Licht fällt auf den Film und aktiviert bestimmte Silberkristalle. Und für jeden der Kristalle gibt es auch nur zwei Zustände: An oder aus. Erst die Summe an kleinen Silberkristallen, die teilweise aktiviert werden, teilweise aber auch nicht, lässt Grau- und Farbtöne entstehen. Eigentlich dasselbe Prinzip wie bei der digitalen Fotografie, nur anders und mit Film. 

Spricht man nun auch noch von „analogem Unterricht“ oder „analogen Treffen“, dann wird der Begriff so völlig abstrus. Mag ja sein, dass der oder die eine oder andere in der Schule und bei privaten Partys ständig unter Strom steht, aber letztlich geht es hier nie um das Fließen eines elektrischen Stroms im Verhältnis zu einem vorgegebenen Signal. Und das ist weder in der Schule, noch bei einem Bruch mit Freund*innen der Fall. Zumindest hat das noch niemand schlüssig erwiesen. 

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