Spartacus ist der wohl berühmteste Gladiator der Antike. Ich meine, welchen Gladiator kennt man heute überhaupt noch mit Namen? Er probte den Aufstand und brachte die römische Staatsmacht ganz schön ins Schwitzen. Ein Sozialrevolutionär war er aber trotzdem nicht – auch wenn er in der Neuzeit nicht selten genau als ein solcher idealisiert wurde.
Spartacus im Kino, TV – und bei Karl Marx
Zum Glück ist das Aussehen von Schauspielern Geschmacksache. Als Spartacus 2010 zur Hauptfigur einer gleichnamigen Fernseh-Serie wurde, konnte man gleich zweimal darüber streiten, ob der Hauptdarsteller nun heiß sei oder nicht. Andy Whitfield, der Spartacus-Darsteller der ersten beiden Staffeln, schied aus tragischen Gründen aus der Serie aus und wurde in der dritten und letzten Staffel durch den Australier Liam McIntyre ersetzt. De mortuis nil nisi bene, deswegen fällt die persönliche Wertung in dieser Frage heute aus.
Über den echten Spartacus wurde in der Antike auch viel gesprochen. Aber die Frage, ob er heiß war, stellten sich die wenigsten. Trotzdem war der Typ ein ganz schöner Aufreger. Und offenbar war er ein so großer Aufreger, dass man sich im 21. Jahrhundert noch bemüßigt sah, eine Fernsehserie über ihn zu produzieren (externer Link zu YouTube). Das haben wir übrigens unter anderem auch Karl Marx zu verdanken. Aber fangen wir erst mal vorne an.
Spartacus an sich und die Tatsache, dass er einen Sklavenaufstand gegen Rom anführte, dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Ältere Semester oder die Liebhaber*innen von Filmklassikern denken dabei vielleicht nicht an die Serie, sondern an den Film von Stanley Kubrick (externer Link zu YouTube) aus dem Jahr 1960, der für Kirk Douglas einen großen Karriereschub bedeutete. Auch dass der Aufstand kein gutes Ende nahm, dürfte noch zum Allgemeinwissen gehören. Aber wer weiß eigentlich aus dem Stand, wo Spartacus geboren wurde?
Vom Rand des Imperiums
Niemand. Übrigens auch die Wissenschaft nicht. Zumindest nicht genau. Einhellig überliefern die antiken Quellen, dass er aus Thrakien stammte.1 Doch Thrakien war damals groß. Man verstand in der Antike darunter ein Gebiet, dass sich vom heutigen östlichen Griechenland über Bulgarien bis nach Rumänien zog.
Wir befinden uns damit also in einem der Randgebiete der griechisch-römischen Welt. Rau und bestenfalls halb-zivilisiert, so hätten die Zeitgenossen Thrakien charakterisiert. Vielleicht nicht ganz so unzivilisiert wie beispielsweise Germanien, aber jedenfalls nicht auf derselben Kulturstufe wie die griechischen Städte oder Rom. Der Philosoph Xenophanes wählte sie als Beispiel, um das naive antike Götterbild zu kritisieren:
Αἰθίοπές τε <θεοὺς σφετέρους> σιμοὺς μέλανάς τε
Θρῆικές τε γλαυκοὺς καὶ πυρρούς <φασι πέλεσθαι>.
Die Äthiopier behaupten, ihre Götter hätten Stupsnasen und seien schwarz,
die Thraker, ihre Götter hätten helle Augen und rote Haare.
Xenophanes, fr. B16
Dass die Thraker alle rote Haare hatten, wurde übrigens zum Topos, zu einem feststehenden Klischee. Eigentlich immer, wenn in der antiken Literatur ein Thraker auftaucht, zum Beispiel in einem Theaterstück, hat er rote Haare. Das ging so weit, dass jedem zweiten thrakische Sklave von den Griechen der Namen Pyrhhos verpasst wurde – „der Rothaarige“. Ob Spartacus auch rote Haare hatte, wissen wir nicht. In der Serie jedenfalls ist er dunkelblond.
Sex, Drugs and Rock’n’roll
Auch der griechische Forscher Herodot ließ es sich nicht nehmen, über die Thraker*innen ein paar Zeilen zu verfassen. Ihm zufolge praktizierten sie unter anderem eine (einigermaßen) freie Liebe, denn junge Frauen durften sich, solange sie unverheiratet waren, erst einmal austoben und nach Belieben mit anderen Männern verkehren.2 Männer durften diese Praxis auch nach der Eheschließung fortführen und mehrere Frauen haben. Ob das alles so stimmt, lassen wir mal dahingestellt. Leider haben die Thraker*innen selbst über ihre Sitten und Gebräuche keine schriftlichen Quellen hinterlassen. Herodots Bild ist stereotyp und im Grunde das einer Horde Punks.
καὶ τὸ μὲν ἐστίχθαι εὐγενὲς κέκριται, τὸ δὲ ἄστικτον ἀγεννές. ἀργὸν εἶναι κάλλιστον, γῆς δὲ ἐργάτην ἀτιμότατον: τὸ ζῆν ἀπὸ πολέμου καὶ ληιστύος κάλλιστον.
Tätowiert zu sein, gilt bei ihnen als ein Zeichen hoher Abstammung, nicht tätowiert zu sein dagegen als Zeichen niedriger Abkunft. Landwirtschaft ist eine niedere Tätigkeit, die schönste dagegen ist es, von Krieg und Raub zu leben.
Herodot V,6
Das übliche Zurechtrücken von Herodot-Zitaten
Auch hier muss man etwas vorsichtig sein, denn dass Völker von Krieg und Raub lebten, findet sich eigentlich 1:1 sogar in mehr oder weniger derselben Formulierung immer wieder, wenn antike griechische oder römische Autoren über fremde Völker berichten. Nach antikem Denken steht eine räuberische Lebensweise vor allem für einen frühen Entwicklungsstand. Auch die Griech*innen selbst gingen davon aus, dass sie in früheren Epochen so drauf waren.3
Allerdings schildert Herodot im Zusammenhang mit den Thraker*innen aber auch Bräuche, die für Griech*innen und Römer*innen schon deutlich vertrauter waren. Denn im Anschluss an das Begräbnis eines Adligen wurden offenbar regelmäßig Wettkämpfe veranstaltet.4 Solche Spiele zu Ehren eines Toten waren auch in Griechenland und Rom nicht ungewöhnlich. Ein sehr berühmtes Beispiel findet sich schon bei Homer: Die Leichenspiele für den toten Patroklos.5. Im Rahmen solcher Wettkämpfe gab es die verschiedensten sportlichen Aktivitäten, wie Pferderennen, Boxkämpfe und Sprints.
Im Fall der Thraker berichtet Herodot jedoch auch von Einzelkämpfen, also echten Kämpfen zwischen zwei Männern unter Einsatz von Waffen. Und das wiederum erinnert an einen Brauch, den wir heute noch mit einem anderen Volk aus der Antike verbinden, nämlich mit den Römer*innen und ihren Gladiatoren.
Einen Tod mit noch mehr Toten begehen
Es passt also wie die Faust auf’s Auge, dass ein Thraker ausgerechnet zum Gladiator in Rom wurde. Die Gladiatorenkämpfe gingen historisch gesehen nämlich (vermutlich) aus solchen Leichenspielen hervor und wurden lange Zeit auch nur im Zusammenhang mit Begräbnissen durchgeführt.
Das moderne Bild, dass es bei den Römern dauernd Gladiatorenkämpfe gegeben habe, ist daher ganz schön falsch. Sie standen bis ins ins zweite Jahrhundert vor Christus immer im Zusammenhang mit Begräbnissen und wurden bis dahin auch immer von Privatpersonen finanziert und organisiert. Da sie teuer waren, konnten sie nur von sehr wohlhabenden Personen abgehalten werden. Das änderte sich auch in der römischen Kaiserzeit nicht. Ganz im Gegenteil: Die Anzahl der Tage im Jahr, an denen Gladiatorenkämpfe stattfinden durften, wurde gesetzlich auf 10 begrenzt.
„Rom“ stimmt dabei übrigens auch eigentlich nur halb. Die Ursprünge der Gladiatorenkämpfe sind nicht gesichert, aber Vieles spricht dafür, dass sie nicht in Rom erfunden wurden, sondern in der süditalienische Region Kampanien. Da landete später auch Spartacus.
Und, wo wir gerade so im Flow sind, ein paar moderne Mythen zurechtzurücken, auch das noch: Gladiatorenkämpfe waren zwar Kämpfe, die mit dem Tod eines Beteiligten (oder mehrerer) enden konnten, aber sie waren dann doch nicht ganz so brutal und gewalttätig, wie man sie in Filmen sieht. Es gab durchaus feste Regeln und auch Schiedsrichter. Das ist natürlich ein schwacher Trost. Blutig waren diese „Spiele“ trotzdem.
Ob man von Anfang an Sklaven und Kriegsgefangene in der Arena aufeinanderhetzte, muss offen bleiben. In historischer Zeit, also aus den Zeiten, in denen man auch schriftliche Quellen vorfindet, war es jedenfalls üblich, dass Sklaven für die Kämpfe zum Einsatz kamen. Sie konnten sich zwar einen Namen machen, bekannt werden und Ruhm erlangen, aber ihre soziale Stellung besserte das nicht wirklich. Übrigens hat man auch Darstellungen von Frauen in der Arena gefunden. Aber das dürfte wohl wirklich eine sehr selten Ausnahme gewesen sein.
Wie ein Sklave Gladiator werden konnte
Spartacus stammte also aus einem der Randgebiete der griechisch-römischen Welt. Wann er geboren wurde, wissen wir nicht. Als der nach ihm benannte und berühmte Aufstand stattfand, nämlich in den Jahren 73-71 vor Christus, kann er allerdings noch nicht allzu alt gewesen sein. Vielleicht 25? Vielleicht 30? Man weiß es nicht.
Was wir auch nicht wissen, ist, wie er genau zu einem Sklaven wurde. Der griechische Historiker Appian berichtet, Spartacus habe sogar anfangs im römischen Militär gedient, sei dann aber wegen eines nicht genannten Vergehens in Gefangenschaft geraten und in die Sklaverei verkauft worden. Die näheren Umstände für diese Angaben bleiben aber unklar.6 Beides für sich genommen ist erst einmal nicht ungewöhnlich: Dass Angehörige eines fremden Volksstamms im Rahmen so genannter Auxiliartruppen im römischen Militär dienten, kam häufig vor. Menschenhandel auf der anderen Seite war ein üblicher Weg in die Sklaverei. Nur die Verbindung von beiden, also wie aus einem Hilfssoldaten ein Sklave werden konnte, das erläutern uns die antiken Quellen leider nicht.
War man einmal Sklavin oder Sklave geworden, wurde man entsprechend der eigenen Körperkraft oder der persönlichen Talente einer Arbeit zugeteilt. Das Spektrum war dabei wesentlich größer als bei späteren Formen der Sklaverei. Manche Sklaven konnten sogar Verwalter eines ganzen Landguts sein.
Außerdem ermöglichte die römische Gesellschaft sogar einen sozialen Aufstieg mittels Freilassung durch den Besitzer oder durch den eigenen Freikauf. Es sei denn, man war Gladiator. Dann war die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch, dass man die eigene Freilassung noch erleben würde. Zumindest nicht unversehrt.
Profisport in der Antike
Gladiatoren waren übrigens echte Profis. Sie wurden regelrecht trainiert und ausgebildet, denn Gladiatorenkämpfe waren – bei aller Grausamkeit – nicht nur deswegen bei den Massen so beliebt, weil viel Blut spritzte. Man bewunderte vielmehr auch die Kampfkraft, das Geschick und die Fähigkeiten, die die Kämpfer an den Tag legten.
Zugegeben, der moderne Fußball ist eine ziemlich schräge Analogie an dieser Stelle, aber das Verhalten der Fans dürfte sich in so ziemlich allen seinen Facetten über die Jahrtausende kaum verändert haben: Angefangen bei der übermenschlichen Vorbildfunktion der Spieler*innen, über die selbsternannten Expert*innen, die alles besser wissen (und können) als die Profis auf dem Platz bis hin zu den Fanhymnen, den Alkoholexzessen und Krawallen. All das gab es damals auch schon.
Übrigens ist mit keinem Wort überliefert, dass Spartacus in irgend einer Weise ein Ausnahmetalent gewesen sei. Man kann noch nicht einmal behaupten, dass er eine besondere Bekanntheit erlangt hatte, bevor er die Führung des Sklavenaufstands übernahm. Aber aus der Tatsache, dass ihm dieser Aufstand gelang und dass er ihn drei Jahre lang aufrecht erhalten konnte, spricht zumindest dafür, dass er nicht auf den Kopf gefallen war.
Der griechische Schriftsteller und Biograph Plutarch bescheinigt ihm daher auch einen „scharfen Verstand“ und ein „hohes Maß an Kultiviertheit“, das ihn eher wie einen Griechen wirken lasse als einen Thraker.7
Plutarch lebte aber andererseits auch um die 150 Jahre später. Vielleicht war er einfach nur genauso schlau wie wir und hat sich denken können, dass Spartacus nicht ganz blöd gewesen sein kann.
Der Aufstand
Der berühmte Aufstand nahm seinen Anfang, als Spartacus mit 78 weiteren Leidensgenossen aus seiner Gladiatorenschule ausbrach. „Gladiatorenschule“ ist ein komisches Wort. Nennen wir es „Trainingscenter“. Es gehörte einem gewissen Lentulus Battiatus, dessen Name sicherlich von der Geschichte verschluckt worden wäre, hätte der Aufstand nicht ausgerechnet in seinem Haus seinen Anfang genommen.
An sich darf man vermuten, dass solche Ereignisse nicht ungewöhnlich waren. Dass Sklaven immer mal wieder ausbüxten, kam in der Antike dauernd vor. Wer kann es ihnen auch verübeln? Und warum sollten Gladiatoren die Ausnahme gewesen sein? Was den Aufstand des Spartacus dann aber von anderen derartigen Vorkommnissen unterschied, war der weitere Verlauf.
Schlau, wie sie waren, sorgten die flüchtigen Gladiatoren erst einmal für eine Bewaffnung, die sie sich zusammenstahlen. Plutarch berichtet, dass sie dafür eine Küche geplündert hätten. Das klingt im ersten Moment etwas merkwürdig, erklärt sich aber, wenn man bedenkt, dass man in der Antike durchaus in mancher Küche über Gerätschaften verfügte, um auch das eine oder andere Tier zu zerteilen. Bewaffnet mit dem Chefkoch-Set von Fackelmann und Steffen-Henssler-Messern überwältigten sie jedenfalls einen Trupp anrückender Soldaten aus Capua und gelangten so auch an militärische Waffen.8
Damit war die Gruppe der 78 Gladiatoren römischen Soldaten an Bewaffnung und an Kampfkraft ebenbürtig. Wirklich gefährlich wurde der Aufstand jedoch durch den Zulauf, den er erhielt. Innerhalb kürzester Zeit schlossen sich ihm, laut Plutarch, Hirten und Schäfer der Umgebung an.9 Appian spricht etwas allgemeiner von Landbewohnern. Nach den ersten Siegen über römische Soldaten schlossen sich den Aufständischen weitere, nicht näher bezeichnete Personengruppen an, wodurch die Erhebung auf 70.000 Personen anschwoll.6 Die Gladiatoren bauten dabei offenbar eine regelrechte Kommandostruktur auf, in der Spartacus der oberste Feldherr war, der von zwei untergeordneten Offizieren namens Oenomaus und Crixus unterstützt wurde.
Roms Reaktion
Die Reaktion aus der Hauptstadt ließ nicht lange auf sich warten, aber das römische Militär machte einen geradezu tollpatschigen Eindruck, denn man scheint den Aufstand anfangs nicht besonders ernst genommen zu haben und später die Schlagkraft der aufständischen Armee deutlich unterschätzt zu haben. Jedenfalls lieferten sich hoch dekorierten Feldherrn des römischen Militärs ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel mit den Aufständischen, die den Truppen des Senats eine empfindliche Niederlage nach der nächsten zufügten. Satte drei Jahre ging das so.
Anfangs hatten sich die Aufständischen noch auf dem Vesuv (dem berühmten Vulkan) verschanzt, setzten sich dann aber quer durch Italien in Bewegung. Zu den genauen Beweggründen, die die Aufständischen antrieben, kommen wir noch mal, aber die Annahme scheint nicht unplausibel, dass Spartacus und seine Männer auf kürzestem Weg das römische Gebiet verlassen und nach Hause zurückkehren wollten.11 Doch etwa auf halben Weg geschah etwas, worüber sich Historiker*innen heute noch den Kopf zerbrechen: Sie kehrten um.12 Appian berichtet, Spartacus habe die Stadt Rom selbst angreifen wollen,13 während Plutarch darauf besteht, dass Spartacus bewusst gewesen sei, dass ein solches Unterfangen aussichtslos sein musste.14 Zu diesem Zeitpunkt war das Heer der Aufständischen laut Appian bereits auf 120.000 Menschen angewachsen und hatte damit ein Ausmaß erreicht, das alle anderen Aufstände dieser Art in den Schatten stellt.
Es gelang dem römischen Feldherrn Crassus schließlich, unter großen Mühen und nach mehreren Anläufen, die Aufständischen im Jahr 71 v. Chr. in einer Feldschlacht zu besiegen.
Das Ende
γενομένης δὲ τῆς μάχης μακρᾶς τε καὶ καρτερᾶς ὡς ἐν ἀπογνώσει τοσῶνδε μυριάδων, τιτρώσκεται ἐς τὸν μηρὸν ὁ Σπάρτακος δορατίῳ καὶ συγκάμψας τὸ γόνυ καὶ προβαλὼν τὴν ἀσπίδα πρὸς τοὺς ἐπιόντας ἀπεμάχετο, μέχρι καὶ αὐτὸς καὶ πολὺ πλῆθος ἀμφ᾽ αὐτὸν κυκλωθέντες ἔπεσον. ὅ τε λοιπὸς αὐτοῦ στρατὸς ἀκόσμως ἤδη κατεκόπτοντο κατὰ πλῆθος, ὡς φόνον γενέσθαι τῶν μὲν οὐδ᾽ εὐαρίθμητον, Ῥωμαίων δὲ ἐς χιλίους ἄνδρας, καὶ τὸν Σπαρτάκου νέκυν οὐχ εὑρεθῆναι. πολὺ δ᾽ ἔτι πλῆθος ἦν ἐν τοῖς ὄρεσιν, ἐκ τῆς μάχης διαφυγόν: ἐφ᾽ οὓς ὁ Κράσσος ἀνέβαινεν. οἱ δὲ διελόντες ἑαυτοὺς ἐς τέσσαρα μέρη ἀπεμάχοντο, μέχρι πάντες ἀπώλοντο πλὴν ἑξακισχιλίων, οἳ ληφθέντες ἐκρεμάσθησαν ἀνὰ ὅλην τὴν ἐς Ῥώμην ἀπὸ Καπύης ὁδόν.
Die Schlacht zog sich lange hin und war heftig, wie es bei so vielen tausend Verzweifelten zu erwarten war. Spartacus wurde durch einen Speer am Oberschenkel verletzt, krümmte sich und hielt den Schild vor sich, um die Angreifer abzuwehren, bis er und die Menge um ihn herum eingeschlossen und getötet wurde. Der Rest seines Heeres geriet in Unordnung und wurde scharenweise niedergemacht. Das Morden war so groß, dass man die Toten nicht mehr zählen konnte. Auf Seiten der Römer starben etwa 1.000 Männer. Die Leiche des Spartacus war nicht auffindbar. Eine größere Anzahl floh vom Schlachtfeld in die Berge und wurde von Crassus verfolgt. Sie teilten sich in vier Teile auf und kämpften, bis alle tot waren, außer 6.000, die man gefangennahm und entlang der gesamten Straße von Capua nach Rom aus ans Kreuz schlug.
Appian, Bürgerkrieg I,120
Die wilden 70er und was Karl Marx damit zu tun hat
Die Nachwirkung des Spartacus-Aufstandes war groß, vor allem in der Neuzeit. Das ist etwas überraschend, weil es sich im Grunde nur um eine Fußnote der römischen Geschichte handelt. Wer ein wenig auf die Quellen geachtet hat, auf die in diesem Text verwiesen wurden, der oder dem könnte das auch aufgefallen sein: Appian hat ein großes Werk über den römischen Bürgerkrieg verfasst. Der Spartacus-Aufstand fällt da in den Bereich „Vorgeschichte“. Plutarch hat eine Biographie über Crassus verfasst, der Spartacus am Ende besiegte. Das ist aber nicht unbedingt das Signature Event im Leben des Crassus und wird von Plutarch entsprechend auf drei Seiten abgehandelt.15
Der Aufstand hat die Zeitgenossen sicherlich erschreckt, aber die römische Gesellschaft befand sich im frühen ersten Jahrhundert vor Christus sowieso in einer sehr schwierigen Phase, in der sich die Krisen fast die Klinke in die Hand gaben.16 Insbesondere die 70er Jahre waren außerdem geprägt von Ereignissen wie dem Aufstand des Lepidus im Jahr 79 und den separatistischen Umtrieben des Sertorius, der in Hispanien ein Sonderreich begründete, es von Rom abspaltete und sich immerhin von 77-72 behaupten konnte.
Es gab also zahlreiche Ereignisse, die mehr Eindruck hinterließen als der Aufstand des Spartacus. Dass der heute noch so bekannt ist, haben wir den Theoretikern der europäischen Aufklärung zu verdanken, die in ihm einen Freiheitskämpfer sahen. Es war aber Karl Marx, der schließlich ein berühmtes Zitat prägte, demzufolge Spartacus der „der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat“ und ein Repräsentant des antiken Proletariats gewesen sei.17
Spartacus und die sozialistische Revolution
„Proletariat“ ist da so ein Begriff, der Altertumswissenschaftler*innen den Schweiß auf die Stirn treibt. Es handelt sich dabei nämlich um eine sehr unglückliche Vermischung aus einem antiken Begriff und einem neuzeitlichen Konzept, das sich wiederum (scheinbar) leicht auf die Antike zurückprojizieren lässt. Zum Glück ist er inzwischen etwas aus der Mode gekommen und eher selten anzutreffen.
Jedenfalls legte Karl Marx mit seiner Äußerung den Grundstein für eine Entwicklung, die aus Spartacus eine Identifikationsfigur linker Gruppierungen machte. Nicht umsonst hieß der Spartakusbund in der Weimarer Republik so. Und es kommt nicht von ungefähr, dass viele osteuropäische Fußballvereine heute noch irgendwas mit „Spartak“ im Namen tragen.
Die antiken Quellen verraten über Spartacus’ Motive nicht allzu viel. Dass er aber ganz sicher kein Proletarier im kommunistischen Sinn war, das können wir dann doch ziemlich sicher behaupten. Es gab durchaus in der Antike ökonomische und soziologische Überlegungen, die dem Kommunismus ähneln. Aber es ist unwahrscheinlich, dass Spartacus sie kannte. Und selbst wenn er sie kannte: Es gibt dafür keinen Beleg, dass er die Welt mit den Augen eines Klassenkämpfers sah.
Wenn man sich einmal kurz in die historische Situation hineinzuversetzen versucht, dann ist schon der Wunsch nach Heimkehr ein ziemlich ambitioniertes Ziel. Man darf nicht vergessen, dass sich Spartacus anfangs mit 78 Gleichgesinnten absetzte. Womöglich hatten sie auch einfach erst einmal überhaupt kein Ziel und wollten „einfach nur weg“. Davon, dass sie es schaffen würden, sich durch Italien zu kämpfen und sich in ihre Heimatländer durchzuschlagen, konnten sie kaum zu träumen wagen. Die Errichtung eines Arbeiter-und-Bauern-Staates war da sicher das letzte, was ihnen in den Sinn gekommen wäre.
Spartacus – ohne Ideologie
Es sei an dieser Stelle übrigens auch erwähnt, dass es in der Antike immer mal wieder Sklavenaufstände gab. Kein einziger davon hatte das Ziel, die Sklaverei an sich in Frage zu stellen oder gar abzuschaffen. Dafür war sie zu selbstverständlich, nicht nur in Rom, sondern überall.
Aber gut. Karl Marx war kein Historiker, sondern Philosoph. Es sei ihm verziehen. Eine Sache bleibt dann aber doch. Immerhin ist auffällig, dass sich Spartacus offenbar auch viele Bürger*innen anschlossen. Nur zur Erinnerung: Aus den paar entlaufenen Gladiatoren war zu Hochzeiten ein Heer von 120.000 Leuten geworden. Alle diese Personen müssen einen Sinn oder einen Vorteil darin gesehen haben, sich gegen Rom oder die herrschende Elite unter Einsatz ihres Lebens aufzulehnen. Vielleicht hatten sie tatsächlich die Hoffnung, dass sich die soziale Ordnung des Reiches zu ihren Gunsten verändern würde. Man muss ja nicht gleich von einem Klassenkampf sprechen. Mit einem besseren finanziellen Auskommen oder mehr politischer Teilhabe wären sie vielleicht schon zufrieden gewesen. Das fügt sich ganz gut in das Bild ein, das wir von der späten römischen Republik haben, die von sozialen Spannungen und Auseinandersetzungen geprägt war.
Jedenfalls haben wir es sicherlich unter anderem Karl Marx zu verdanken, dass der Name Spartacus in der Neuzeit nicht in Vergessenheit geriet. Während man ihn im real existierenden Sozialismus verklärte, ging man im kapitalistischen Westen sehr pragmatisch mit der Figur um und machte sie zur Filmfigur. Dafür eignet sich die Geschichte – vom kommerziellen Standpunkt aus gesehen – auch hervorragend. So haben beide Seiten wohl ihre Verwendung für den alten Thraker gefunden. Und beide haben ihn auf gleiche Weise auf ihre Weise für sich eingespannt. Die einen als proto-sozialistische Identifikationsfigur, die anderen, um damit auch über 2.000 Jahre später noch Geld zu verdienen.
- Plutarch, Crassus VIII,2 ↩
- Herodot V, 6 ↩
- Thukydides I,5 ↩
- Herodot, V,8 ↩
- Homer, Ilias XXIII ↩
- Appian, Bürgerkrieg I, 116 ↩
- Plutarch, Crassus 8,2. Genau genommen spricht Plutarch davon, Spartacus sei „hellenistischer“ gewesen als seine Abstammung vermuten lasse. Den Begriff kann man wie ein Codewort für höhere Bildung und Kultur verstehen, die auf griechischen Wurzeln beruht. ↩
- Plutarch, Crassus 8,2-9,1 ↩
- Plutarch, Crassus 9,3 ↩
- Appian, Bürgerkrieg I, 116 ↩
- Plutarch, Crassus 9,5 ↩
- Plutarch, Crassus 9,7 ↩
- Appian, Bürgerkrieg I, 117 ↩
- Plutarch, Crassus, 9,5 ↩
- Auch weitere antike Autoren, wie zum Beispiel Sallust und Florus berichten über den Aufstand, allerdings nur sehr kurz. ↩
- Ernst Baltrusch, Caesar und Pompeius, Darmstadt 22008, S. 23-24 ↩
- zitiert nach einem Brief an Friedrich Engels vom 27.02.1861 in: Rolf Dlubek et. alii (Hgg.), Karl Marx/Friedrich Engels, Gesamtausgabe, Abt. 3: Briefwechsel, Bd. 11: Juni 1860 bis Dezember 1861, Berlin 2005, S. 280 ↩
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