Tinte – Fremdwort der Woche

„Tinte“ klingt wie ein Begriff aus einer lange vergangenen Zeit, in der man noch Briefe schrieb. Man widmete geliebten Menschen sonntags nachmittags eine Stunde der eigenen Zeit und gab sich Mühe, ihnen handschriftlich die neusten Neuigkeiten darzulegen, die man so zu erzählen hatte. In der Neuzeit scheint die Tinte eigentlich nur noch als Ärgernis vorzukommen – nämlich wenn wieder mal die Patrone vom Drucker leer ist. Eigentlich schade, denn die Geschichte der Tinte ist eine, von Anfang an mit der Kulturtechnik des Schreibens verbunden war. 

Um zu verstehen, was „Tinte“ bedeutet, hilft es sich, sich klarzumachen, was das eigentlich ist. Die klassische blaue Tinte (königsblau natürlich) ist im Grunde Wasser, das mit Farbstoffen versetzt wurde. 

Und genau das bedeutet der Begriff auch. Auf Latein und mit vollem Namen hieß die Substanz „aqua tincta“, was schlicht „gefärbtes Wasser bedeutet“. Unser modernes Wort „Tinte“ ist nur die Kurzform dieses Ausdrucks. 

Nicht alle Fremdwörter mit einem lateinischen oder griechischen Ursprung stammen zwangsläufig aus der Antike. Bei der Tinte ist das aber sehr wohl der Fall. Schon im alten Ägypten kannte man Tinte zum Beschreiben von Papyri. Sie wurde aus Wasser, Ruß und einem Bindemittel hergestellt. 

Als wichtige Weiterentwicklung gilt die so genannte „Eisengallustinte“, zu deren Herstellung Galläpfel mit Eisensulfat verkocht werden. Diese Art der Tinte kam ebenfalls bereits in der Antike auf, wurde auch im Mittelalter verwendet und gilt noch heute als dokumentenecht, also besonders haltbar.

Überhaupt das Mittelalter: Wenn man sich einige der prächtigen Handschriften anschaut, die in dieser Epoche angefertigt wurden mit ihren vielen Farben, schwarzer, roter, blauer Schrift und gold-glänzenden Verzierungen, kann man buchstäblich sehen, wie sehr sich die Herstellung der Tinte über die Jahrhunderte weiterentwickelt hat. Möglich, dass es auch schon in der Antike solche prachtvollen Schriftstücke gab, nur erhalten ist davon fast nichts, außer einigen Exemplaren aus dem Alten Ägypten, die es aber auch nur teilweise mit denen aus dem Mittelalter aufnehmen können. 

Und damit sind wir bei der Mühe, die das Schreiben mit Feder oder Füller und Tinte macht. Ja, das passt wirklich nicht mehr so ganz in unsere moderne Zeit. Wer hätte heute noch die Zeit, auf eine Whatsapp-Nachricht mit einem handschriftlichen Brief zu antworten?

Und auch losgelöst von den Briefen: Wer käme heute noch auf die Idee, einen Text mit dem Füller zu schreiben, außer vielleicht in der Schule? Tippen geht schneller. Und wenn wir schon handschriftlich irgend etwas notieren, dann doch meistens mit einem Fineliner oder einem Kuli auf einem abgeranzten Stück Schmierpapier. Also wirklich Mühe gibt sich heute fast niemand mehr bei handschriftlichen Texten oder Notizen.

Schade ist das doch schon irgendwie. Aber es ist der Lauf der Dinge. Vielleicht sollte man sich doch ab uns zu mal auf den Wert des handschriftlichen Verfassens von Texten besinnen. Und sich vielleicht doch mal ab und zu sonntags hinsetzen, erst mal die eigenen Gedanken sortieren, einen schönen Bogen Briefpapier heraussuchen und seinen Freund*innen, Verwandten oder anderen lieben Menschen was Nettes schreiben. Freuen werden sie sich bestimmt, denn einem handgeschriebenen Brief sieht man die Mühe an. Da hat sich jemand wirklich Zeit genommen und nicht zwischen Tür und Angel einfach eine Sprachnachricht hingerotzt. 

Und dann möchte man online eine Briefmarke kaufen und stellt fest, dass die mittlerweile 85 ct. kosten. Und man zerreißt den Brief wieder und denkt sich: Leckt mich, Leute. 

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