Beelzebub – Fremdwort der Woche

Ja, der Text zum „Fremdwort der Woche“ ist diesmal in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit. Erstens: Es geht eigentlich gar nicht um ein Fremdwort, sondern um einen Namen. Aber es ist einer, der eine besondere Bedeutung erlangt hat und gelegentlich tatsächlich auch schon mal wie ein Substantiv gebraucht wird. „Dieser Typ ist ein echter Beelzebub.“ Das kann man sagen, auch wenn es heute keiner mehr macht. Und zweitens haben wir es diesmal mit einem Wort zu tun, dass seinen Ursprung nicht im Lateinischen oder Griechischen hat. Aber wir kümmern uns ja auch gerne mal um antike Themen, die außerhalb dieses Kulturbereichs liegen. 

Ob nun bibelfest oder nicht, Beelzebub als alternative Bezeichnung für den Teufel ist fast jedem ein Begriff. Und er durchzieht alle drei abrahamitischen Religionen: Im Judentum gibt es ihn, im Christentum, aber auch im Islam kennt man ihn. Und die moderne Popkultur sowieso. Mal ist er der Leibhaftige, mal ein Dämon, der von ekligen Schmeißfliegen begleitet wird. Aber wo kommt er eigentlich her – und was hat es mit den Fliegen auf sich?

Eine Gottheit macht Karriere

Dafür muss man weit in die Geschichte zurückgehen, und zwar in die Bronzezeit im vorderen Orient. Eine Gottheit machte damals gewaltig Karriere, und ihr Name war Ba’al. Der kleine Strich in der Mitte des Namens zeigt übrigens an, dass er nicht einfach Baal hieß (mit langem a). Man setzt hier kurz ab und spricht zweimal a hintereinander. 

„Ba’al“ war dabei ursprünglich aber gar kein Name, sondern bedeutete einfach nur „Herr“ oder „Herrscher, Gebieter“ und war so etwas wie ein Titel oder eine Anrede für einen Gott. Und das praktisch im gesamten Orient, denn das Wort „Ba’al“ ist die hebräische Form eines Wortes, das in ähnlicher Form in mehreren mesopotamischen Sprachen vorkam. In der akkadischen Sprache zum Beispiel hieß es „Bel(um)“, aber das täuscht uns nicht darüber hinweg, dass es sich um denselben Wortstamm handelt.1 

Wettergottheiten und ihre vielen Namen

Die Religionen der Antike waren, wie wir wissen, polytheistisch. Das heißt, sie hatten für jeden Mist eine eigene Gottheit oder zumindest eine „Untergottheit.“ Was ist denn bitte eine Untergottheit? Ganz einfach: Eine Gottheit hatte oft mehrere Funktionen. Nehmen wir den obersten Gott der Griechen als Beispiel, den Wettergott Zeus. Wettergötter standen in den Kulturen des Altertums grundsätzlich hoch im Kurs, denn das Wetter war zentral für das Leben der Menschen. 

Zeus war aber nicht nur der Wettergott der alten Griechen. Er war auch zuständig für viel andere Bereiche des Lebens. Daher kamen die Griechen auf die Idee, ihm bestimmte Namenszusätze zu geben, je nachdem, was man in ihm gerade sah. Der Zeus Xenios war zum Beispiel der Schutzgott aller Gäste, während man den Zeus Zygios als Schutzgott der Hochzeitsnacht verehrte. Es handelte sich natürlich immer noch um denselben Zeus, aber er wurde in einer bestimmten Funktion angesprochen.

Und so war es, Jahrhunderte vor den Griechen, auch schon bei den Wettergöttern im vorderen Orient, genauer im Gebiet etwa des heutigen Syrien. Aber es gab einen kleinen Unterschied, denn die jeweiligen Wettergötter wurden nicht einfach nur mit ihrem Namen angeredet, sondern mit dem Zusatz „Ba’al“ oder „Bel(um)“ oder wie auch immer die jeweilige Form des Wortes in der jeweiligen Sprache lautete. Sehr früh aber wurde aus dem Titel und der Anrede „Ba’al“ der Name für den Wettergott. 

Mit Zeus ist dieser Ba’al insofern gut vergleichbar, dass er einerseits ein Wettergott war, andererseits aber auch die zentrale Gottheit, die mit Namenszusätzen versehen wurde. So kommt es, dass uns Ba’al mit zahlreichen Beinamen begegnet. Es gab zum Beispiel (laut dem Alten Testament) den Ba’al berit, den „Herrn des Bundes.“ In außerbiblischen Textzeugnissen taucht beispielsweise der „b’l ugrt“ (gesprochen vielleicht: „Bel Ugarit“), der Ba’al von Ugarit, auf. Das war die Erscheinungsform des Ba’al als Stadtgott von Ugarit.

Ein Wettergott in der Bibel

Der Kerl verbreitete sich im Laufe der Bronzezeit in der einen oder anderen Form über den gesamten vorderen Orient und wurde, vermutlich vom Volk der Hyksos, um 1.800 v. Chr. sogar nach Ägypten exportiert. 

In der Bibel begegnen uns aber auch eine Bezeichnung, die ein Stirnrunzeln hervorrufen. So findet sich dort die Erwähnung eines Ba’al zevuv, eines „Herrn der Fliegen.“ Und aus diesem Ba’al zevuv wurde unser Beelzebub. Das hat erstens damit zu tun, dass Vokale in semitischen Sprachen grundsätzlich ein schweres Standing haben und gelegentlich auch nicht ganz eindeutig waren. So kommt es, dass aus dem Ba’al ein Beel wurde. 

Zweitens wurde der Ausdruck auf dem Weg in unsere Zeit zuerst ins Griechische übertragen. Und dort gibt es keinen w-Laut. Für die Griechen klang „zevuv“ wie „zebub.“ Das hat im Mittelmeerraum eine gewisse Tradition. Auch in römischen Inschriften finden wir häufiger die Verwechslung von „b“ und „v“. Und nicht zuletzt setzt sich das im modernen Spanisch fort. Man schreibt „vamos“ und spricht „bamos“. Und da die Griechen sowieso keinen Buchstaben für „w“-Laute hatten, schrieben sie einfach „Beel zebub.“  

Aber zurück zur Bedeutung. Ba’al zevuv war angeblich der Stadtgott von Ekron. Wieso verehrten die Ekroniter einen Gott der Fliegen? Man kann das noch weiter treiben: Man stelle sich einen gigantischen Misthaufen in der Mitte der Stadt vor, der als Heiligtum des Ba’al verehrt wurde. Gute Methode, aus Mist noch etwas Gutes herauszuholen, aber ernsthaft? Das soll so gewesen sein? Nein, natürlich nicht. 

Gedisst im Kampf der Religionen

Das Ganze erklärt sich, wenn man den historischen Kontext und die Quelle beachtet: Der Mistbaal taucht nur im Alten Testament auf. Und dieser Text ist der zentrale Glaubenstext der Hebräer. Für sie war der Ba’al-Kult, dem sie überall begegneten, eine harte Konkurrenz. Da wundert man sich nicht, dass sie sich kritisch über diesen Kult äußerten und ihn gelegentlich auch ins Lächerliche zogen. Und so vermutet die Wissenschaft, dass es einen Ba’al zevuv nie gegeben hat, sondern dass er vielleicht eher Ba’al zevul hieß. Das würde nämlich auf Ugaritisch „erhabener Herr“ bedeuten und klingt doch viel eher nach einer passenden Bezeichnung für eine Stadtgottheit. 

Die Hebräer machten sich einen Scherz daraus. Zevul und zevuv, das klingt nach einem gelungenen Wortwitz, das muss man ihnen lassen. So wurde aus einem erhabenen Gott ein Herr der Mistfliegen. Aus dieser Geringschätzung des Ba’als durch die Tradition des Alten Testaments erklärt sich auch, wie er später mit dem Teufel gleichgesetzt werden oder wahlweise auch als Dämon in Erscheinung treten konnte. Das Bild ist natürlich gelungen, denn einen Dämon kann man sich gut als stinkende Kreatur vorstellen, um die die Fliegen kreisen. Doch das war dann schon eine spätere (vor allem christliche) Erweiterung, denn ursprünglich handelte es sich einfach nur um einen Witz. Und da soll man noch mal sagen, das Alte Testament hätte keinen Humor. 

  1. Für die ganz Wissbegierigen unter euch: Das Akkadische besitzt – anders als das Hebräische – noch Kasusendungen. Im Nominativ enden akkadische Substantive auf -um. Das Hebräische kennt solche Endungen nicht mehr. Dass es auf Akkadisch belum mit -e- heißt, hat mit der Konsonantenstruktur des Wortes zu tun. Die Konsonanten lauten B’L wobei das Häkchen in der Mitte für einen Knacklaut steht. Dieser Knacklaut wurde sprachgeschichtlich im Akkadischen oft durch -e- ersetzt, während das Hebräische ihn beibehalten hat.

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