Hokuspokus ist tatsächlich ein Wort? Das dürften sich jetzt manche fragen, die diesen Blogbeitrag lesen. Natürlich klingt das Wort ziemlich lateinisch, aber trotzdem ist es doch ein Fantasiewort, eine Zauberformel ohne tieferen Sinn, oder?
Hokuspokus in der Kirche
Um die Geschichte des Begriffs zu verstehen, machen wir diesmal einen Sprung, der nicht ganz so weit geht wie sonst auf unserem Blog, denn wir müssen nicht bis in die Antike springen. Frühe Neuzeit reicht schon. Vielleicht stammt der Ausdruck „Hokuspokus“ auch aus dem Mittelalter, aber erst für das 17. Jahrhundert ist er nachweisbar.
Katholische Messen fanden seinerzeit noch in lateinischer Sprache statt. Das Problem daran: Die meisten Leute in der Kirche konnten kein Latein. Für sie war das, was der Pfarrer da vorne sprach, nicht mehr als unverständliches Gebrabbel.
Und im Großen und Ganzen konnte es den Gläubigen auch ziemlich egal sein, was da genau geredet wurde, denn „Dabeisein war alles“. Hauptsache, man ging in die Kirche und holte sich seine tägliche Portion kirchlichen Segen ab. Man merkt schon: Die Liturgie der damaligen Zeit war nicht unbedingt dem Individuum zugewandt. Nur an einer Stelle wurden die Gläubigen unmittelbar in den Gottesdienst eingebunden.
Und diese Stelle kennen Katholik*innen noch heute: Man geht einzeln nach vorne und holt sich beim Pfarrer seine Backoblate ab, die den Leib Christi symbolisiert. Dabei fällt ein entscheidender Satz: „Das ist mein Leib.“ Der hörte sich aber in den Zeiten der lateinischen Liturgie noch etwas anders an: „Hoc est (enim) corpus meum.“ Wenn man nun keinen Bezug zum Lateinischen hat, dann hört man daraus ziemlich schnell etwas heraus, was wie „Hocus Pocus“ klingt.
Aus der Kirche in den Aberglauben
Wie das Wort „Hokuspokus“ entstanden ist, wäre damit geklärt. Zumindest ist es die Theorie, die die meisten Fürsprecher*innen hat. Nicht mehr klären können wir aber den Weg, den das Wort dann aus der Kirche in den Aberglauben gefunden hat.
Dass unverständliches Latein an sich zunächst einmal prädestiniert dafür war, im Zusammenhang mit rätselhaften magischen Handlungen und Vorgängen seinen Platz zu finden, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Und vielleicht lag es einfach daran, dass das „hoc est corpus meum“ alias „Hokuspokus“ jedem*r Gläubigen geläufig war, dass es auch sofort in der Zauberei und Hexerei eine herausgehobene Stellung einnahm und zu dem Zauberspruch schlechthin werden konnte.
Möglicherweise handelte es sich aber auch um Absicht. Während man in der Kirche „hoc est corpus meum“ sagte, unterstellte man bösen Mächten, die dem Satan dienten, dass sie die entstellte Form „hocuspocus“ verwendeten. Das wäre dann also eine Entstellung mit klugen Hintergedanken.
Das Hokuspokus-Prinzip
Wie gesagt, können wir nicht mehr genau klären, wie das Wörtchen seinen Weg in den Aberglauben und letztlich in Otfried Preußlers „Kleine Hexe“ gefunden hat. Das ist aber bei vielen Begrifflichkeiten der Umgangs- oder Alltagssprache der Fall. Und bei vielen dieser Begrifflichkeiten begegnet man auch immer wieder diesem Phänomen, dass ein fremdsprachliches Wort nicht verstanden wird und von den Hörer*innen anschließend in einer Form wiedergegeben wird, die einfacher zu merken ist oder in der eigenen Sprache besser ausgesprochen werden kann.
Man könnte also von einem Hokuspokus-Prinzip sprechen. Fachwissenschaftlich heißt das allerdings „Verballhornung“. Das prominenteste moderne Beispiel für eine solche Verballhornung ist sicherlich der Balneario auf Mallorca, der von besoffenen deutschen Tourist*innen zum Ballermann gemacht wurde.
Beim Hokuspokus haben wir es immerhin mit einer Verballhornung zu tun, die nicht auf Blödheit und Ignoranz beruht, sondern darauf, dass die Menschen der damaligen Zeit einfach kaum die Möglichkeit hatten, es besser zu machen.
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