Wenn wir heute Geräte, Gebäude oder auch gedanklich Dinge konstruieren, dann tun wir eigentlich alles, nur nicht das, was das lateinische Wort ursprünglich bedeutete. Und das lernt man als Lateinstudent*in schon im ersten Semester. Denn das Wort ist eine böse Falle.
Mehr oder weniger planvoll
„Konstruieren“ meint heute das sorgfältige und planmäßige Zusammenbauen von Dingen. Das kann ein Smartphone sein. Es kann auch ein Hochhaus sein. Sehr oft wird es aber eher übertragen gebraucht. Da beschreibt es dann den Vorgang, wie wir gedanklich Dinge zusammensetzen oder Pläne entwickeln.
Das Wort „konstruieren“ stammt vom lateinischen construere. Es bedeutet „aufschichten“. Und damit ist zunächst mal wirklich nur gemeint, dass man Dinge übereinander legt. Also in etwa, wie sich der eigene Schreibtisch über die Wochen mit Zetteln, Briefen und Notizen füllt. Möchte man zum Schreiben vom Finanzamt von vor zwei Monaten vorstoßen, muss man zunächst die darüber liegenden Schichten sorgfältig abtragen. Man kennt das.
Gut, zugegeben, solche Schichtungen können auch teilweise einem Plan folgen. Vielleicht hat man ja auch zwei oder drei getrennte Stapel auf dem Schreibtisch. Vielleicht macht man sich an ein sehr wichtiges Schreiben auch ein pinkes Post-It, um es schneller wiederzufinden. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass eine solche Konstruktion nichts mit einem ausgeklügelten Plan oder einem ausgefeilten Konzept zu tun hat.
Was man so im Lateinstudium lernt
Und deswegen ist das Wort auch so eine böse Falle für Lateiner*innen, in die fast jede*r Erstsemester*in tappt. Man lernt im Studium ja auch, deutsche Texte ins Lateinische zu übersetzen.
Ja, wirklich. Livia und ich können zwar nicht unbedingt beim Kaffee Smalltalk mit dem Papst auf Latein halten. Aber wir können euch einen hochliterarischen, philosophischen Text in lupenreines, klassisches Latein übersetzen. Theoretisch jedenfalls. Ist ja alles schon ne Weile her, und Vieles ist eingerostet. Aber eins ist immer noch da: das Trauma von construere.
Möchte man einen Satz wie „Caesar baute eine Brücke.“ ins Lateinische übertragen, wäre man ja schön blöd, wenn man nicht direkt an das Wort construere denken würde. Aber leider tut man Caesar damit ziemlich Unrecht, denn „Caesar pontem construxit.“ würde bedeuten, dass dieser perfekt ausgebildete und äußerst erfolgreiche Feldherr 45 Lagen Torf in den Fluss geschmissen hat, bis der Dreck so hoch stand, dass er hinüberlaufen konnte.
Um es kurz zu machen: Das deutsche Wort „bauen“ hat im Lateinischen mehrere mögliche Entsprechungen, die in ihrer Bedeutung stark eingeschränkt sind. Sprachwissenschaftlich spricht man von einer „Eins-zu-viele-Entsprechung“. Handelt es sich um eine Mauer aus Ziegelsteinen, die da gebaut wird, dann könnte construere Sinn ergeben. Die Steine werden ja wirklich aufgeschichtet. Wird ein Gebäude errichtet, dann wäre aedificare vielleicht das Wort der Wahl. Und so weiter.
Service-Absatz für die Lateinstudent*innen unter euch: Das war wohl auch den Römer*innen irgendwie alles zu blöd, deswegen gibt es einen ganz einfachen Umweg. Schreibt einfach facere („machen“). Caesar sagt nämlich an besagter Stelle selbst über sich: Caesar pontem fecit. – Caesar „machte“ eine Brücke.
Ich mache jetzt aber Schluss und klappe den Rechner zu. Ich muss dringend noch diverse Konstruktionen auf meinem Schreibtisch abtragen. Mal sehen, was ich so finde.
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