„Phänomen“ oder „phänomenal“ sind Allerweltsbegriffe, die man schon mal öfter auch im Alltag verwendet. Aber was bedeutet das eigentlich genau? Und handelt es sich am Ende wieder um so einen Begriff, den wir heute komplett falsch verwenden, weil wir alle unwissend sind und seine ursprüngliche Bedeutung nicht kennen?
Ein schwer zu fassender Begriff
Irgendwie ist es nicht ganz einfach, das Wort „Phänomen“ zu fassen. Eine besonders tolles Ereignis kann phänomenal sein – also im Sinne von „krass, super, fantastisch“. Dass Katzen beim Fallen immer auf den Füßen landen, ist ein erstaunliches Phänomen. Und wenn Fische in der Tiefsee anfangen zu leuchten, dann ist das auch ein ungewöhnliches Phänomen.
Ein Phänomen kann also eine ungewöhnliche Beobachtung sein bzw. eine kuriose Tatsache. Es kann aber auch etwas besonders Tolles oder Großartiges bezeichnen. Ursprünglich handelte es sich aber dabei um einen ziemlichen Allerweltsbegriff.
Ihm liegt das griechische Verb φαίνομαι (phaínomai) zugrunde, was so viel bedeutet wie „erscheinen“. Davon kann man auch ein hübsches Partizip bilden. Das heißt dann φαινόμενον (phainómenon). Das bedeutet „erscheinend“. Ein φαινόμενον (phainómenon) ist eine Sache, „die erscheint“ oder man könnte auch sagen: die „sich zeigt“. Eine Erscheinung also.
Joa. Damit kann man den Begriff so ziemlich für alles verwenden. Wenn auf dem Smartphone die neuste Pushmitteilung von Instagram auftaucht, ist das im Grunde genauso eine Erscheinung (ein Phänomen), wie wenn plötzlich ein Raumschiff am Himmel auftaucht und Menschen mit Traktorstrahlen in seinen Bauch saugt.
Vom Allerweltsbegriff zum Spezialbegriff
Wie gesagt: ein Allerweltsbegriff, der auch eine Allerwelts-Bedeutung hat. Aber natürlich verwendeten schon die frühen griechischen Naturforscher den Begriff speziell für besondere natürliche Vorkommnisse, die sie nicht recht einordnen konnten, vor allem am Himmel. Für sie waren die Bewegungen der Planeten oder das Auftauchen von Kometen Phänomene. Viele astronomische Werke der antiken Literatur trugen sogar den schlichten Titel „Phaenomena“. So fand der Begriff über das Lateinische seinen Weg in die Wissenschaft.
Während der Ausdruck „Phänomen“ seine neutrale Bedeutung als „besondere Erscheinung“ oder „außergewöhnliches Vorkommnis“ noch weitgehend behalten hat, gilt das für das Adjektiv „phänomenal“ nicht mehr. Denn das hat seit dem mittleren 19. Jahrhundert praktisch eine rein positive Bedeutung und bezeichnet nicht nur ein besonderes, sondern ein besonders positives Ereignis oder Vorkommnis.
Das ist übrigens sprachlich betrachtet gar nicht so ungewöhnlich, denn das haben wir bei vielen Wörtern: „Eindruck“ ist ein neutraler Ausdruck. „Beeindruckend“ aber ist immer positiv gemeint. Das kann man noch weiter fortsetzen, zum Beispiel mit „bemerken“ und „bemerkenswert“ oder „nachahmen“ und „unnachahmlich“.
Und um die Frage zu beantworten, ob wir alle unwissend sind: Jein. Das Wort „Phänomen“ benutzen wir eigentlich so ziemlich so, wie es sich vor ein paar Tausend Jahren alte weise Griechen überlegt haben. Nur das zugehörige Adjektiv – da sind wir ein bisschen kreativ geworden. Aber das macht ja nichts.
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