Eigentlich wird dies ein Posting über mehrere Fremdwörter. Das liegt daran, dass das zugrundeliegende lateinische Verb ziemlich ergiebig war und in mehreren Bedeutungsvarianten Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat.
Was man alles so kontrahieren kann
Das lateinische Verb contrahere heißt zunächst einmal „zusammenziehen“. Ganz buchstäblich kommt daher zunächst einmal der Begriff „Kontraktion“. Es handelt sich dabei um eine „Zusammenziehung“. Das kennen wir – hauptsächlich – aus der Medizin. Dort spricht man von den Kontraktionen des Herzmuskels. Überhaupt kontrahieren alle Muskeln, nicht nur die des Herzens. In anderen Bereichen allerdings, wo man auch was zusammenziehen könnte, wäre das Fremdwort eher unüblich.
Man spricht wohl nicht davon, die eigenen Truppen im Krieg zu kontrahieren. Man sagt eher, dass man sie zusammenzieht. Man würde auch nicht sagen, dass man einen Vertrag kontrahiert: Man handelt ihn aus und schließt ihn ab.
Beides sind aber Bereiche, in denen man im Lateinischen ebenfalls von contrahere gesprochen hat. Bei den Truppen kann man das noch nachvollziehen, denn da sagen wir im Deutschen ja auch „zusammenziehen“. Wir benutzen nur das lateinische Fremdwort dafür nicht, weil es, wie es sprachwissenschaftlich heißt, unidiomatisch ist. Das bedeutet einfach nur, dass man es so nicht sagt.
Bei einem Vertrag ist das schon etwas schwerer nachvollziehen, denn da sprechen wir im Deutschen auch nicht davon, dass man einen Vertrag „zusammenzieht“. Wohl aber kennen wir das Ergebnis: Einen Kontrakt. Das ist für uns ein (nicht ganz häufiges) anderes Wort für „Vertrag“. Im Englischen wiederum ist contract das gängige Standardwort für einen Vertrag.
Ein vielseitiges lateinisches Verb
Man kann aber auch diese etwas ungewöhnliche Bedeutung von contrahere auflösen: Wenn Personen zusammengezogen werden, dann versammeln sie sich. Und wenn man einen Vertrag abschließen möchte, dann versammeln sich zwei (oder mehr) Personen. Somit heißt das lateinische Verb contrahere auch „versammeln“.
Das sind dann im Lateinischen die contrahentes, wörtlich: „die, die sich versammeln“. „Kontrahent“ ist damit ein Fachbegriff aus dem juristischen Bereich. Er bezeichnete die Partner eines Vertrags oder Kontraktes (contractus). Die können sich natürlich auch durchaus mal ziemlich feindlich gegenüberstehen.
Wenn wir heute über „Kontrahent*innen“ sprechen, dann meinen wir damit in der Regel Feind*innen oder Gegner*innen. Das hat dann aber nichts mit dieser Vertragsgeschichte zu tun. Diese Variante geht auf die Bedeutung „(Truppen) zusammenziehen“ zurück. Demnach sind Kontrahent*innen in diesem Sinne „die, die ihre Truppen zusammenziehen.“
Ein ziemlich martialischer Ausdruck, denn wir denken dabei selten an Krieg oder körperliche Gewalt. Heutige Kontrahent*innen kontrahieren sich (so ein Ausdruck aus der Studentensprache des 19. Jahrhunderts) in der Regel in der Politik oder in der Wirtschaft. Ohne Gewalt. Meistens. Hoffentlich.
Vielleicht setzen sie sich am Ende aber auch zusammen und handeln einen Kontrakt aus. In jedem Fall haben sie bis dahin ziemlich viel herumkontrahiert und hatten etliche Kontraktionen. Hoffentlich können sie im Anschluss auch ein bisschen entspannen.
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