Die Milchstraße – das wissen wir heute – ist nur eine Galaxie unter mehreren. Aber warum heißt dieses Gebilde eigentlich „Milchstraße“? Die Mythologie liefert uns ziemlich bescheuerte Erklärungen, bei denen unter anderem Untreue, ein Kuckuckskind und ein Unfall mit Muttermilch eine Rolle spielen.
Zunächst einmal ist das deutsche Wort „Milchstraße“ in gewisser Weise eine Wiedergabe des griechischen Wortes „Galaxie“. γάλα (gála) bedeutet „Milch“ und γαλάξιος (galáxios) bzw. γαλάξιας (galáxias) ist das Adjektiv dazu („milchig“).
Das klingt einfach, ist in Wahrheit aber sprachwissenschaftlich durchaus kompliziert, denn dieses Adjektiv ist merkwürdig gebildet. Aber das lassen wir hier mal beiseite. Dass es „milchig“ bedeutet, ist unstrittig. Und ebenso unstrittig ist, dass das Wort der Kern unseres Fremdwortes ist.
In der Antike kursierten aber zunächst mehrere Bezeichnungen für diese „milchige“ Erscheinung am Nachthimmel. Anfangs nannten die Griechen sie einfach nur „Himmelsmilch“ (τὸ οὐράνιον γάλα). Später setzte sich die Vorstellung durch, dass sich das auffällige Sternenband auch „unter“ der Erde fortsetzte. Dabei steht die ganz alte Vorstellung im Hintergrund, dass die Erde eine Scheibe wäre. Demnach wäre die Milchstraße eher ein „Milchkreis“, und auch diese Bezeichnung findet sich in den antiken Quellen.
Und zuguterletzt gab es auch die Bezeichnung „Milchweg“ oder „Milchstraße“. Und damit kommen wir zum spannenden Teil, nämlich zu der Frage, warum das Ding nun mal so hieß.
Ein Säugling mit zu viel Saugkraft
Und dazu findet man heute allerlei abstruse Erklärungen. Daran sind aber nicht nur moderne Autor*innen schuld, die damit ihre Texte oder Fernsehdokus aufpeppen wollen. Die meisten davon finden sich schon in der Antike. Am häufigsten findet man die Erklärung, dass es sich um die Muttermilch der Göttin Hera (Juno) gehandelt habe.
Laut der Mythologie habe Hera ihre Milch aus Versehen über den Himmel verspritzt. Zur Ursache dieses Unfalls gibt es mehrere Varianten. Die bekannteste ist sicher die mit Herakles, und die geht so:
Zeus war wieder einmal fremdgegangen und hatte eine menschliche Frau vergewaltigt. Das Produkt dieser Vergewaltigung war der kleine Herakles. Den schob Zeus seiner Gattin unter, damit sie ihn stillte.
„Untergeschoben“ deshalb, weil er nach der gängigsten Variante der Geschichte behauptet, es sei nicht sein Kind, sondern ein fremdes. Der kleine Herakles war aber schon als Säugling mit einer außergewöhnlichen Körperkraft gesegnet, die sich auch in seiner, nun ja, Saugkraft zeigte. Weil das offenbar schmerzhaft war, zog Hera ihn weg, und bei dieser Gelegenheit soll ihre Milch über den ganzen Himmel verspritzt worden sein.
Das ist natürlich Bullshit. Und es ist ein Bullshit, den schon in der Antike sicher niemand ernsthaft glaubte. Dafür spricht, dass diese Geschichte erst in relativ späten literarischen Texten auftaucht.
Der Himmel brennt
Daneben gab es noch andere Erklärungen, die weniger spektakulär, aber dafür (aus Sicht der Antike) plausibler waren. So versuchte man das Band aus Sternen am Nachthimmel damit zu erklären, dass die Sonne bei ihrem Weg über den Himmel diesen jeden Tag ein bisschen ankokelte.
Die angezündeten Dinge (was auch immer das genau sein sollte), glommen dieser Vorstellung nach dann bis in die Nacht nach. Das hat irgendwie Charme, aber auch diese Erklärung wurde in der Antike schon als Volksglaube abqualifiziert. Aufmerksamen Betrachter*innen fiel natürlich auf, dass die Sonnenbahn bei Tag und der Verlauf der Milchstraße in der Nacht nicht zueinander passten.
Natürlich haben sich auch die antiken Philosophen und Naturwissenschaftler an dem Thema abgemüht. Aber diesen Part müssen wir hier überspringen. Das würde für ein „Fremdwort der Woche“ viel zu weit führen (es gab ja massenhaft Philosophen!) und außerdem in einer ziemlich trockenen Abhandlung enden.
Die unspektakuläre Erklärung
Bleibt also noch, die Ausgangsfrage zu beantworten: Warum heißt die Milchstraße „Milchstraße“? Die Erklärung ist vermutlich so unspektakulär, wie sie nur sein kann.
Die Griech*innen benannten sie schlicht und ergreifend nach der Farbe. Man sah eben einen Streifen am Himmel, der sich „milchfarben“ vom dunklen Hintergrund abhob. That’s it. Alles Andere sind spätere Ausschmückungen, die schon in der Antike niemand für voll nahm.
Die Menschen der Antike wären heute natürlich ziemlich verdutzt, wenn wir ihnen erklären würden, dass wir mittlerweile unzählige „Milchstraßen“ kennen.
Zwar gab es schon in der Antike bekannte und berühmte Philosophen (wie beispielsweise Epikur), die die Existenz mehrerer Welten postulierten. Aber für die Menschen der Antike waren das eher akademische Spinnereien. Sie erfreuten sich lieber am Anblick des Sternenhimmels und ließen sich andere, poetische Erklärungen dafür einfallen.
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