Heute wird’s blutig im Fremdwort der Woche. So richtig brutal und ekelerregend. Und das ausgerechnet bei einem Begriff, der so langweilig klingt wie alte Socken: Komma. Das ist doch das Wort, bei man sich immer darüber streitet, ob es nun „Kommas“ oder „Kommata“ heißt. Und man muss an die „verflixten Sieben“ aus dem Deutschunterricht denken, also die wichtigsten sieben Kommaregeln. Man darf also gespannt sein, wo bei diesem Fremdwort das Blut spritzen soll.
Das Ganze liegt an der ursprünglichen Bedeutung des Worts. „Komma“ (κόμμα) bedeutet „Schlag“. In harmloseren Zusammenhängen kann es dabei um Münzen gehen, die ja auch durch den Schlag mit einem Prägestempel hergestellt wurden.
Aber auch ganz schön viele Menschen oder Tiere werden auch mit einem Schlag getötet. Dementsprechend kann κόμμα (komma) auch „abgetrenntes Stück“ bedeuten. Das kann zum Beispiel auch ein Kopf sein, der einem in einer Schlacht von einem gegnerischen Kämpfer abgeschlagen wird.
Möchte man grausame und brutale Schilderungen über die Tötung von Menschen lesen, wird man in der antiken Literatur ganz gut bedient. Hinter dem Wörtchen κόμμα (komma) steckt das Verb κόπτω (kopto), was „schlagen“, „abschlagen“ und auch „erschlagen“ heißen kann. Und das kommt in der antiken Literatur wirklich massenhaft vor. Ziemlich oft, wenn ein Tier geopfert oder ein Mensch im Kampf getötet wird, steht κόπτω (kopto).
Was die Schilderungen dieser Vorgänge angeht, waren die antiken Autoren um Details nicht verlegen und muteten ihrem Publikum so einiges zu. Wer heute mit unserem modernen Blick Homer liest, wird sich manchmal wundern, wie er seinem Leserkreis das zu antun konnte. Da spritzen Blut und Hirnmasse, Gedärme und Innereien breiten sich über den blutgetränkten Boden aus. Und dabei begegnen einem öfter die Wörtchen κόμμα (komma) und κόπτω (kopto).
Zur Ehrenrettung Homers sei an dieser Stelle aber erwähnt, dass er seinen Leser*innen damit die Grausamkeit des Kriegs verdeutlichen wollte (und vielleicht auch die Sinnlosigkeit, aber da begibt man sich auf schwieriges Terrain, denn das ist durchaus Interpretationssache).
Wie kommt es aber, dass so ein monströser Begriff uns heute ausgerechnet in einem Bereich begegnet, der nüchterner und langweiliger kaum sein könnte?
Eigentlich ist das gar nicht so schwer nachzuvollziehen. Wie schon erwähnt, bedeutet κόμμα (komma) auch „das Abgetrennte“. Und das muss ja kein Kopf oder Arm sein. Auch ein Satzteil, den man abtrennt, kann ein „Komma“ sein. Und das bedeutete der Begriff (also, in diesem speziellen Zusammenhang) in der Antike auch: Ein „Komma“ ist eigentlich ein Satzteil.
Die Antike kannte keine Satzzeichen (zumindest keine einheitlichen), und damit folglich auch kein „Komma“, wie wir es heute verwenden. Das entsprechende Zeichen ist eine spätmittelalterliche oder frühneuzeitliche Erfindung. Sicher belegen kann man den Begriff „Komma“ im Sinne von „Zeichen, das Satzteile abgrenzt“ etwa ab dem 15. Jahrhundert.
Dass wir heute übrigens dieses kleine Strichelchen unten dafür verwenden (und nicht irgend ein anderes Zeichen), haben wir dem venezianischen Typographen Aldus Manutius zu verdanken, der es 1515 erstmals verwendete.
Um das Wörtchen „Komma“ ist es also etwas ruhiger geworden. Den Schlachtenlärm hat es hinter sich gelassen, und nur noch selten gibt es etwas Unruhe. Zum Beispiel, wenn eine Rechtschreibreform um die Ecke kommt und sich deutsche Intellektuelle die Köpfe heißreden. Oder wenn sich Leute leidenschaftlich darüber auslassen, ob der korrekte Plural nun „Kommas“ oder „Kommata“ heißt. Aber das ist kein Vergleich zu den Kommata zu Homers Zeiten.
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