Kleopatra – Eine antike Politikerin

Kleopatra kennt jede*r. Und über Kleopatra hat auch jede*r eine Meinung. Für die Einen ist sie die hinterlistige Diva mit Hang zum Luxus, die nach und nach die mächtigsten Männer Roms um den Finger wickelte. Für die Anderen ist sie eine Feministin, eine der ganz wenigen großen Frauengestalten der Antike, die bis zum Schluss für die Unabhängigkeit ihres Königreichs gekämpft hat. Über der historischen Figur Kleopatra liegen seit der Antike so viele Schichten Interpretation, dass es schwer ist, herauszustellen, wer sie denn nun war.

Von Alexander dem Großen zu Kleopatra

antikes Porträt Kleopatras
antikes Porträt Kleopatras (gemeinfrei)

Wir kennen Kleopatra heute als Königin von Ägypten. Das war sie natürlich auch. Was Kleopatra aber nicht war, ist Ägypterin. Das wirkt etwas seltsam und hat mit Ereignissen etwa 300 Jahre vor ihrer Geburt zu tun. Im Jahr 336 v. Chr. wird Alexander der Große König von Makedonien, bringt kurz darauf ganz Griechenland unter seine Kontrolle und zieht dann gegen das Perserreich, das sich von der heutigen Türkei bis nach Indien erstreckt. Alle diese Gebiete nimmt er ein, darunter auch Ägypten. Im Jahr 323 v. Chr. stirbt Alexander mit gerade einmal 33 Jahren ohne einen durchsetzungsfähigen Erben. Daraufhin bricht unter Alexanders treuen Generälen ein Machtkampf aus, der schließlich mit ziemlich vielen Leichen endet und damit, dass das gesamte Reich, das Alexander erobert hat, aufgeteilt wird. 

In Ägypten kann sich der General Ptolemaios I. durchsetzen. Dieser Ptolemaios ist der Urahn der Herrscherfamilie, aus der auch Kleopatra stammt. Und nach ihm heißt diese Herrscherfamilie auch Ptolemäer. Kleopatra ist also Makedonin, herrscht aber über Ägypten. Zumindest väterlicherseits stimmt das so. Denn wir wissen bis heute nicht, wer eigentlich Kleopatras Mutter war. Die Ehefrau ihres Vaters und die legitime Königin, eine Makedonin, war es jedenfalls nicht.1 Vieles spricht dafür, dass ihre Mutter vielleicht doch eine Ägypterin war. Dann wäre Kleopatra halb Makedonin und halb Ägypterin gewesen. Kleopatra wurde jedenfalls griechisch-makedonisch erzogen und ihre Muttersprache war Griechisch.

Ägypten in Nöten

Als Kleopatra 69 v. Chr. geboren wird,2 befindet sich die Herrscherfamilie in Ägypten in einer gewaltigen Krise. Das hat zum einen mit außenpolitischen Faktoren zu tun, wie dass Ägypten immer wieder Kriege mit anderen Nachfolgereichen Alexanders anzettelt, allen voran auf dem Gebiet des heutigen Palästina. Zum anderen gibt es innenpolitisch Aufstände der Ägypter gegen die makedonische Fremdherrschaft. Und zum dritten und am gravierendsten destabilisiert sich die Herrscherfamilie seit Generationen selbst.

Denn es gibt keine verbindliche Nachfolgeregelung in der Thronfolge. Es wird nicht automatisch der älteste Sohn Nachfolger seines Vaters und damit König, sondern jeder Sohn hat theoretisch erst einmal den gleichen Anspruch auf den Thron. Das führt natürlich zu Konkurrenz unter den Söhnen. Auch Töchter mischen häufig mit, gerade wenn sie älter als die Söhne sind. Und dazu kommt, dass der König in der Regel mehrere Königinnen hatte – von außerehelichen Verbindungen mal ganz zu schweigen. Das heißt auch die Königinnen untereinander geraten in eine Konkurrenzsituation und jede versucht ihren Sohn als Nachfolger durchzusetzen. Und das geht selten friedlich aus. Sagen wir mal so, man lebt in Ägypten als Thronanwärter in dieser Zeit gefährlich, solange man noch Geschwister hat. Sehr viele Prinzen sind in dieser Zeit von ihren Geschwistern, Halbgeschwistern oder Stiefmüttern ermordet worden, weil sie der eigenen Macht im Weg standen. Das trägt natürlich nicht gerade dazu bei, dass Ruhe und Ordnung herrscht und man vernünftig regieren kann.

Die eigene Familie sind die schlimmsten Feinde

Kleopatras Vater, Ptolemaios XII. Auletes. Der Beiname „Auletes“ (Flötenspieler) war eher nicht als Kompliment gemeint.

Auch Kleopatras Vater kommt aufgrund der Familienverhältnisse in eine schwierige Lage. Im Jahr 58 v. Chr. – Kleopatra ist zu diesem Zeitpunkt etwa 11 Jahre alt – kommt es in der ägyptischen Hauptstadt Alexandria zu einem Aufstand der Bevölkerung gegen den König. Und es kommt sogar so weit, dass der König fliehen muss und Unterstützung in Rom sucht. In der Zwischenzeit wird von den Aufständischen das älteste und einzig volljährige Kind des Königs auf den Thron gesetzt – Kleopatras Halbschwester Berenike. Sie wird nun als sehr junge Frau Königin von Ägypten und denkt überhaupt nicht daran ihren Vater aus dem Exil in Rom zurückzuholen.

Nur mit einer römischen Armee und einer gewaltigen Bestechungssumme an den Senat in Rom kann Kleopatras und Berenikes Vater drei Jahre später aus Rom zurückkehren und lässt seine eigene Tochter entmachten und hinrichten.3 Kleopatras Vater ist also wieder im Amt, aber ab diesem Zeitpunkt ist die Königsfamilie in Ägypten massiv von Rom abhängig, da sie extrem hohe Schulden in Rom hat und ihnen auch sonst etwas mehr als nur einen Gefallen schuldet.4

Vom Bruderkrieg zum Bürgerkrieg

Im Jahr 51 v. Chr. stirbt Kleopatras Vater und verfügt per Testament, dass seine älteste noch lebende Tochter, nämlich Kleopatra, zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt, und ihr Bruder Ptolemaios, zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alt, zusammen regieren sollen. Das funktioniert natürlich nicht. Kleopatra versucht Alleinherrscherin zu werden und einflussreiche Hofbeamte versuchen Ptolemaios als Alleinherrscher durchzusetzen. Spätestens im Jahr 49 v. Chr. ist ihnen das auch gelungen und Kleopatra muss nach Palästina fliehen, wo sie allerdings gleich beginnt, ein Heer aufzustellen, gegen ihren Bruder aufzurüsten und an die ägyptische Grenze zu ziehen.5

Während dieses Krieges wird Ägypten auch noch zum Schauplatz eines römischen Konflikts. Denn in Rom tobt seit 49 v. Chr. ebenfalls ein Bürgerkrieg. Die beiden mächtigsten Feldherrn dieser Zeit, Caesar und Pompeius, stehen sich mit einer riesigen Anhängerschaft gegenüber und kämpfen um die Macht. Ein Jahr später zeichnet sich ab, dass Pompeius verlieren wird und er flieht nach Ägypten, um dort um Aufnahme und Unterstützung zu bitten. Kleopatras Bruder Ptolemaios bzw. dessen Berater wollen sich aber nicht in diesen römischen Bürgerkrieg hineinziehen lassen und töten Pompeius, als er nach Ägypten kommt. Die Gründe für den Mord sind nicht ganz klar: entweder weil die königlichen Berater wissen, dass Caesar gewinnen wird und sich mit ihm gut stellen wollen oder weil sie hoffen, dass Caesar so in Rom bleibt und sich nicht in die ägyptische Politik einmischt.6

Auch das funktioniert nicht. Zwei Tage später ist Caesar in Ägypten und mischt sich ein. Auch die Römer haben ein Interesse daran, dass in Ägypten endlich Ruhe ist und Caesar versucht zwischen den beiden Geschwistern zu vermitteln.7. Plutarch schreibt, dass Kleopatra, um mit Caesar zu sprechen, sich in einen Bettsack hat einwickeln und in seinen Palast hat tragen lassen. Von diesem Einfallsreichtum und diesem Mut soll Caesar schwer beeindruckt gewesen sein.8 Ziemlich schnell ist Caesar dann auch etwas mehr als nur beeindruckt und beginnt eine Affäre mit der über 30 Jahre jüngeren Kleopatra.

Das berühmteste Paar der Antike: Caesar und Kleopatra

Caesar und Kleopatra von Jean-Leon Gerome (1866), hier entsteigt Kleopatra einem Teppich, antike Quellen sprechen allerdings von einem Bettsack, was auch etwas besser durchführbar wirkt.
Caesar und Kleopatra von Jean-Leon Gerome (1866), hier entsteigt Kleopatra einem Teppich, antike Quellen sprechen allerdings von einem Bettsack, was auch etwas besser durchführbar wirkt.

Kleopatras Bruder passt das natürlich überhaupt nicht in den Kram. Und er beginnt heimlich aufzurüsten, um Kleopatra und dann auch Caesar zu beseitigen. Für Caesar und Kleopatra wird es daraufhin gefährlich, denn das Heer von Kleopatras Bruder ist viel stärker als die paar Soldaten, die Caesar aus Rom mitgebracht hat. Mithilfe von Unterstützungstruppen eines ausländischen Königs kann Caesar aber gewinnen. Kleopatras Bruder ertrinkt im Nil, die einflussreichen Hofbeamten werden umgebracht und Kleopatras zweite Schwester wird verbannt.9 

Kleopatra selbst wird daraufhin Königin von Ägypten. Pro forma wird ihr noch ihr jüngster Bruder als Mitregent an die Seite gestellt, aber der nicht wirklich etwas zu sagen. Faktisch herrscht Kleopatra jetzt alleine. 

Kleopatra ist zu diesem Zeitpunkt auch bereits schwanger. Mitte des Jahres bringt sie einen Sohn zur Welt, den sie auch wieder Ptolemaios nennt (ja, die Familie war bei den Vornamen ihrer Söhne nicht gerade kreativ) und ihm den Zweitnamen Caesar gibt – nur um da mal keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Caesar ist zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Rom und ihn bringt das in gewisse Schwierigkeiten. 

Denn Caesar ist natürlich in Rom mit einer Römerin verheiratet, hat aber keine Kinder mit ihr und damit auch keine Erben. Caesar kann Kleopatra also nicht heiraten, weil er verheiratet ist und er kann sich auch nicht scheiden lassen, weil das in Rom einen Riesenaufstand provoziert hätte. Denn in der römischen Propaganda ist Caesars Frau die gute, treue Ehefrau, die ihrem Mann immer beigestanden hat und Kleopatra ist die manipulative Schlampe, die Caesar und Rom nur ausnutzt, um Königin zu werden. Mit einer Scheidung hätte Caesar einen politischen Skandal provoziert. Trotzdem erkennt er aber die Vaterschaft für Kleopatras Sohn an.

Kleopatra in Rom – Zwischen Bewunderung und Verabscheuung

Ein Jahr später kommt Kleopatra mit dem Baby nach Rom, weil Caesar einen Triumphzug feiert und Kleopatra zu diesen politischen Festivitäten eingeladen ist. Bei Caesars Freunden kommt Kleopatra sehr gut an, weil sie kultiviert und gebildet ist und natürlich auch beeindruckenden Reichtum und Luxus nach Rom mitbringt. Genau das empfinden Caesars Gegner aber als anmaßend und arrogant.10 An Kleopatra scheiden sich also zu diesem Zeitpunkt schon die Geister.

Vermutlich ist Kleopatra dann noch einmal nach Ägypten zurückgekehrt. Wir wissen aber, dass sie im Jahr 44 v. Chr. in Rom war – auch an den schicksalhaften Iden des Märzes, an denen Caesar schließlich von seinen politischen Gegnern ermordet wurde. Für Kleopatra wird es daraufhin in Rom zu gefährlich. Sie muss um ihr Leben fürchten und um das Leben ihres Kindes, das, wie gesagt, der einzige leibliche Sohn Caesars ist und damit auf der Liste für ein politisches Attentat ganz weit oben steht – Kind hin oder her.11

Kurz nach der Rückkehr nach Ägypten stirbt Kleopatras Bruder und Mitregent – Kleopatra feindlich gesonnene Quellen behaupten, sie hätte ihn vergiftet.12 Das ist aber längst nicht bewiesen. Kleopatra ist also jetzt auch formal Alleinherrscherin und ernennt ihren Sohn zum Mitregenten. In der Zeit kümmert sich Kleopatra wieder verstärkt um Angelegenheiten in Ägypten. 

Wieder Bürgerkrieg – dieses Mal in Rom

Gleichzeitig schaut sie aber mit einem Auge nach Rom. Denn dort ist nach Caesars Tod wieder ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Zunächst geht es darum, dass sich Caesars Anhänger und Caesars Gegner gegenüberstehen. Die Anhänger Caesars verfolgen dabei Caesars Gegner, allen voran seine Mörder durch das gesamte Römische Reich. Und sie können die Caesarmörder 42 v. Chr. in einer entscheidenden Schlacht schlagen. Diese sterben dabei oder nehmen sich das Leben, um dem Gegner nicht in die Hände zu fallen.

Maßgeblich verantwortlich dafür, dass nun tausende Gegner Caesars getötet werden, sind zwei Männer: Marcus Antonius und Octavian. Antonius war zu Caesars Zeiten bereits ein erfolgreicher Feldherr, einflussreich, sehr beliebt beim Militär – und bei den Frauen. Octavian ist zu diesem Zeitpunkt erst 18 und der Inbegriff von „blasser, dünner Junge“. Er ist jung, hat keine politische oder militärische Erfahrung und ist oft krank. Der einzige Grund, warum er in Rom so schnell an Macht gekommen ist, ist, dass er Caesars Adoptivsohn ist. 

Octavian und Antonius sind auch nicht wirklich die besten Freunde. Solange sie gegen die Caesarmörder kämpfen, haben sie einen gemeinsamen Feind, aber, als diese besiegt sind, ist es mit der Eintracht vorbei. Der Senat, also quasi das römische Parlament, überträgt den beiden und einem dritten Politiker weitgehende politische und militärische Vollmachten, in der Hoffnung, dass, wenn Caesars Mörder gefasst sind, auch in Rom wieder Ruhe einkehrt.

Es kommt aber anders. Denn Marcus Antonius und Octavian verfolgen beide eigene Interessen. Nachdem die Caesarmörder besiegt sind, erhält Marcus Antonius die Kontrolle über die östlichen Provinzen Roms. Das ist gut für ihn, denn diese Provinzen sind sehr, sehr reich. Außerdem plant er einen Feldzug gegen einen alten Feind und Angstgegner der Römer, nämlich die Parther. 

Antonius – Ein Playboy in Ägypten

Antonius weiß, dass er diesen Krieg nicht allein gewinnen kann und sucht deshalb Hilfe bei Roms Verbündeten – und kommt deshalb nach Ägypten. Denn Ägypten ist immer noch unfassbar reich. Kleopatra weiß, wer Antonius ist und dass er sich von Luxus, Partys und schönen Frauen leicht beeindrucken lässt. Und sie lässt sich etwas einfallen, um Antonius auf ihre Seite zu ziehen. Als Antonius nach Ägypten kommt, empfängt sie ihn auf einem vergoldeten Schiff mit purpurnen Segeln. An Bord des Schiffes gibt es viele wunderschöne, halbnackte Frauen – und zur Sicherheit auch ein paar halbnackte Männer. Und auch Kleopatra selbst kam in diesen Tagen mit etwas weniger Stoff aus. 

Damit der ganze Aufzug nicht billig wirkt, verkauft Kleopatra das ihrem eigenen Volk und den fremden Römern sehr geschickt auf der religiösen Ebene: Sie sei als irdische Erscheinung der Liebesgöttin Aphrodite gekommen, um Dionysos, einen Gott, der quasi für alle Genüsse zuständig ist, zu finden. Dionysos war zufällig auch der Gott, auf den sich Antonius gerne berief.13

Antonius gefällt es jedenfalls ziemlich gut bei Kleopatra und Kleopatra sorgt auch dafür, dass er gerne bleibt: Teures Essen, jede Menge Alkohol, ein grandioses Unterhaltungsprogramm und viel Sex. Abgesehen davon haben die beiden sich aber auch auf der persönlichen Ebene einfach sehr gut verstanden. 

Antonius und Kleopatra
Antonius und Kleopatra von Lawrence Alma-Tadema (1885), gemeinfrei

Eine Ehe, die alle unglücklich macht

Leider vergisst Antonius darüber etwas, dass er ja Krieg gegen die Parther führen wollte. Erst als die Parther auf römisches Gebiet einfallen, reagiert Antonius und bricht auf. Aber es ist zu spät und er verliert den Krieg.14 Das schadet seinem Ansehen in Rom massiv. Er gerät wieder mit Octavian aneinander und die beiden beschließen erneut, die römischen Provinzen unter sich aufzuteilen und jeder sein eigenes Ding zu machen. Antonius erhält erneut den Osten, Octavian den Westen. Aber damit das Bündnis dieses Mal bestehen bleibt, soll Antonius Octavians Schwester heiraten. 

Antonius war auch vorher schon, als er sich auf Kleopatra eingelassen hat, verheiratet, aber seine erste Frau ist kurz vor diesem neuen Bündnis mit Octavian gestorben. Antonius geht darauf ein und heiratet Octavians Schwester Octavia. Kleopatra ist unterdessen aber auch von Antonius schwanger und bringt Zwillinge zur Welt, einen Sohn Alexander und eine Tochter Kleopatra. Um weitere Konflikte mit Octavian zu vermeiden, lässt sich Antonius aber erstmal drei Jahre lang nicht in Ägypten blicken und zieht mit seiner Frau Octavia nach Athen. Trotzdem bleibt die Lage zwischen Antonius und Octavian die ganze Zeit über angespannt und beide versuchen nach wie vor den anderen politisch zu beseitigen.15

Im Jahr 37 v. Chr. muss Antonius erneut die Parther zurückschlagen. Dummerweise schneidet Octavian ihm aber die Verstärkung durch Ressourcen und Truppen aus Rom ab. Antonius hat also kaum eine andere Wahl als wieder Kleopatra um Hilfe zu bitten. Dabei erkennt Antonius erst einmal die Vaterschaft für die beiden Zwillinge an und zeugt noch einen weiteren Sohn mit Kleopatra. Das kann seiner Ehefrau, die auch Octavians Schwester ist, natürlich nicht gefallen. 

Krieg gegen die Parther – aber eigentlich gegen die Feinde im Innern

Im Krieg ist Antonius dieses Mal erfolgreich und kann die Parther erst einmal aus den römischen Gebieten zurückschlagen. Er beginnt daraufhin auch damit den Osten des Römischen Reiches neu zu ordnen und teilt viele Gebiete in der heutigen Türkei, in Syrien, in Palästina und in Nordafrika nun Kleopatra und ihren Kindern zu. Das hat für Antonius einen einfachen Vorteil: Kleopatra und ihre teilweise gemeinsamen Kinder sind auf seiner Seite; römische Beamte, die er dort einsetzt, möglicherweise nicht, wenn sie eigene Interessen und eine Karriere in Rom verfolgen.

Tetradrachme mit der gemeinsamen Abbildung Kleopatras und Antonius' aus Antiochia
Tetradrachme mit der gemeinsamen Abbildung Kleopatras und Antonius‘ aus Antiochia, gemeinfrei

Octavian nutzt das Ganze aber trotzdem, um Antonius in einen Politskandal zu verwickeln. Er legt es so aus, als habe Antonius römische Provinzen an seine Geliebte verschenkt, als sei er nicht mehr Herr seiner Sinne und Kleopatra total verfallen. Und mit dieser Propaganda kommt er in Rom auch durch. Die Stimmung gegen Antonius (und Kleopatra) verschlechtert sich in Rom zusehends.16

Eine Scheidung, die alle unglücklich macht

Ein Jahr später versucht Antonius nun die Parther endgültig zu schlagen. Doch Antonius verliert auch diesen Krieg wieder. Und Octavian schneidet ihn immer noch vom Nachschub aus Rom ab. Da Octavian sich nicht an den Vertrag der beiden hält, bricht Antonius nun auch mit dessen Schwester Octavia und lässt sich von ihr scheiden. Sein Fehler dabei ist, dass Octavia in Rom unfassbar beliebt ist und Octavian es nun so dreht, als sei Antonius die willenlose Marionette Kleopatras, der nicht zum Wohle Roms, sondern nur zu seinem persönlichen Vorteil handele.17

Antonius ist in der Zwischenzeit nach einem unbedeutenden Krieg gegen den König von Armenien wieder in Ägypten bei Kleopatra und verleiht ihr und ihren Kindern zahlreiche Titel und weitere Gebiete. Ganz nebenbei betont er auch noch einmal, dass Ptolemaios Caesar, das älteste Kind Kleopatras, der einzige Sohn Caesars sei. Das ist natürlich eine Provokation gegen Octavian, der ja nur kurz vor Caesars Tod adoptiert wurde. Möglicherweise haben Kleopatra und Antonius in dieser Zeit auch geheiratet. Die antiken Quellen sind da allerdings widersprüchlich.18

Ein schwieriges Testament

Octavian beginnt nun in Rom den Fokus seiner Propaganda nicht mehr auf Antonius, sondern auf Kleopatra zu richten. Denn er kann vom Senat nicht die Genehmigung für einen Krieg gegen einen anderen Römer bekommen, für einen Krieg gegen eine ausländische Königin aber schon. Es wird noch eine Weile hin und her provoziert, wobei die Stimmung in Rom gegenüber Antonius und Kleopatra sehr in Negative schlägt, und schließlich rüsten beide Parteien zum Krieg. 

Octavian braucht dazu, wie gesagt, die Legitimation durch den römischen Senat. Und deswegen beschafft er sich nun Antonius’ Testament aus einem Tempel. Wir brauchen nicht darüber reden, dass in einen Tempel einbrechen und ein Testament stehlen und veröffentlichen absolut illegal ist und die ganze Aktion auch Octavians Ansehen sehr hätte schaden können. Aber der Inhalt ist noch brisanter: Denn es bestätigt noch einmal die Gebietsschenkungen an Kleopatra und ihre Kinder und Antonius verfügt, dass er, wenn er sterben sollte, zu Kleopatra nach Alexandria gebracht und dort bestatten werden will. Wir wissen nicht, ob das wirklich in dem Testament gestanden hat oder Octavian das nur behauptet. Aber die Stimmung kippt nun noch weiter und Octavian schürt in Rom die Angst vor Kleopatra und davor, dass sie Rom erobern könnte. Das ist natürlich haltlose Propaganda, aber sie wirkt. Octavian bekommt offiziell von Rom den Auftrag Kleopatra (und Antonius) zu bekriegen.19

Anfang des Jahres 31 v. Chr. stehen sich beide Heere bei der Stadt Actium gegenüber – das heißt eigentlich schwimmen sie sich irgendwie gegenüber. Denn die Schlacht findet mit Schiffen auf dem Wasser statt. Und um es kurz zu machen: Kleopatra und Antonius verlieren diese Schlacht, weil viele Römer und untergebene, ausländische Könige zu Octavian überlaufen. Antonius und Kleopatra können aber noch einmal fliehen und verschanzen sich in Alexandria, der Hauptstadt Ägyptens.20 

Antonius‘ Tod und Kleopatras letzte Tage

Octavian verfolgt die beiden und kann am 1. August 30 v. Chr. Alexandria einnehmen. Kleopatra lässt daraufhin Antonius die falsche Nachricht überbringen, dass sie sich das Leben genommen habe. Warum sie das gemacht hat, wissen wir nicht. Antonius sieht daraufhin auch keinen Sinn mehr darin weiter zu kämpfen und weiter zu leben und stürzt sich in sein Schwert. Das funktioniert aber nur so halb und Antonius ist nicht sofort tot. Während er also schon tödlich verwundet ist, erfährt Antonius, dass Kleopatra noch lebt und in ihrem Mausoleum wartet. Er lässt sich dorthin tragen und Antonius stirbt in Kleopatras Armen. Das schreiben zumindest die antiken Quellen.21 Kein*e Hollywood-Autor*in hätte sich das besser ausdenken können.

Kleopatra wird kurz darauf gefangen genommen. Octavian tötet Kleopatra aber nicht, weil er sie als geschlagene Feindin Roms bei seinem Triumphzug präsentieren will (und vermutlich danach erst töten will). Das ist aber eine Erniedrigung, der sich Kleopatra nicht aussetzen will. Kleopatra kann es bei Octavian noch durchsetzen, dass sie Antonius prachtvoll begraben und eine große Leichenfeier ausrichten darf, weiß aber, dass sie alles verloren hat. 

Nach zwölftägiger Haft stirbt Kleopatra am 12. August 30 v. Chr. Wir wissen bis heute nicht sicher woran. Die antiken Quellen behaupten, Kleopatra habe Selbstmord begangen. Das ist gut möglich, aber es ist auch möglich, dass Octavian Kleopatra doch getötet hat und die römischen Historiker hinterher schreiben, dass Kleopatra Selbstmord begangen habe, um Octavian nicht als Mörder dastehen zu lassen. 

Die Geschichte mit der Schlange

Guido Cagnacci, Kleopatras Tod. Um Kleopatras Arm schlängelt sich das Reptil, das angeblich ihren Tod herbeigeführt hat.
Guido Cagnacci, Kleopatras Tod (gemeinfrei). Um Kleopatras Arm schlängelt sich das Reptil, das angeblich ihren Tod herbeigeführt hat.

Die schriftlichen Quellen berichten über Kleopatras Tod folgendes: Kleopatra sei während der Gefangenschaft nicht gut bewacht worden, weil man glaubte, dass von ihr eh keine Gefahr mehr ausginge und sie, um ihre Kinder nicht zu gefährden, am Leben bleiben würde. Aber Kleopatra hatte sich anders entschieden, schloss sich mit zwei Dienerinnen ein, schickte einen Brief an Octavian und beging Selbstmord. Als Octavian daraufhin zu Kleopatra eilte, um das zu verhindern, war sie bereits tot. Auch ihre Dienerinnen lagen im Sterben.22

Wie Kleopatra sich umgebracht hat, steht in den Quellen übrigens nicht eindeutig. Vermutlich hat sie sich aber vergiftet. Dass Kleopatra sich wirklich von einer Schlange hat beißen lassen und daran gestorben ist, ist eher unwahrscheinlich. Denn erstens ist es ziemlich schwierig eine Schlange dazu zu bringen, drei Leute zu beißen. Und zweitens tötet ein Schlangenbiss auch nicht zuverlässig sofort. Kleopatra hätte möglicherweise noch Stunden oder gar Tage gelebt. Vermutlich hat sie sich irgendwie anders vergiftet.

Kleopatras Erbe(n)

Octavian findet Kleopatra also nur noch tot vor. Darüber ist er sehr wütend, lässt Kleopatra aber trotzdem neben Antonius in ihrem Mausoleum in Alexandria bestatten. Octavian ist aber noch nicht fertig mit Ägypten: Er lässt Kleopatras ältesten Sohn, den Sohn von Caesar töten, die anderen drei Kinder von Antonius nimmt er mit nach Rom und lässt sie von seiner Schwester und Antonius’ Ex-Frau aufziehen.23 Denn diese drei Kinder sind für Octavian keine Gefahr. 

Was aus den beiden Söhnen geworden ist, wissen wir nicht. Sie tauchen in den Quellen danach einfach nicht mehr auf. Kleopatras Tochter hat später den König von Mauretanien geheiratet. Sie wurde also auch wieder Königin. In Ägypten aber endet die Herrschaft der Ptolemäer nach 300 Jahren. Octavian macht aus Ägypten eine römische Provinz mit Sonderstatus. Denn weil Ägypten so reich ist, dass er Angst haben muss, dass ein römischer Beamter dort sehr viel Geld in die Hand bekommt und damit Truppen aushebt oder Rom vom Getreide-Nachschub aus Ägypten abschneidet, wird die Provinz Octavian direkt unterstellt. In Rom gibt es nun keine nennenswerten Gegner für Octavian mehr. Im Jahr 27 v. Chr. legt Octavian seinen alten Namen ab, nennt sich Augustus, und wird der erste römische Kaiser.

Das sind die Dinge, die wir über Kleopatra mehr oder weniger sicher sagen können. Vieles andere ist üble Nachrede der römischen Quellen, spätere Erfindung oder Interpretation ihrer Person für politische, soziale oder dramatische Zwecke. Und trotzdem liegt in fast jeder Kleopatra-Interpretation doch ein wahrer Kern. Denn Kleopatra war all das: eine kluge und strategische Politikerin, ein auf Repräsentation bedachter  Machtmensch, eine sich sorgende Mutter, eine unglücklich Verliebte.

  1. Strabo, Geographika 17,1,11
  2. Plutarch, Antonius 86,8
  3. Strabo, Geographika 17,1,11, Cassius Dio 39,58,3
  4. Cicero, Pro Rabirio Postumo 28-32
  5. Caesar, Bellum civile 3,103,2, Lukan, Pharsalia 5, 58-64
  6. Caesar, Bellum zivile 3, 103–104, Plutarch, Pompeius 77–80, Cassius Dio, 42, 3–5
  7. Caesar, Bellum zivile 3, 106 – 108
  8. Plutarch, Caesar 49, 1
  9. Caesar, Bellum Civile 3, 109–112, Cassius Dio 42, 37–43, Plutarch, Caesar 49
  10. Cicero, Ad Atticum 15, 15, 2
  11. Cicero, Ad Atticum 14, 8, 1
  12. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer 15, 89
  13. Plutarch, Antonius 25 – 27 Cassius Dio, 48, 24
  14. Plutarch, Antonius 28 – 29
  15. Plutarch, Antonius 36, 5; Cassius Dio 49, 32, 4
  16. Plutarch, Antonius 36, 4
  17. Plutarch, Antonius 53; Cassius Dio 49, 33, 3
  18. Plutarch, Antonius 54, 9, Cassius Dio 50, 3, 5, Sueton, Augustus 69
  19. Plutarch, Antonius 58, 4-8, Cassius Dio, 50, 3, 1–5, Sueton, Augustus 17, 1
  20. Plutarch, Antonius 64–68
  21. Plutarch, Antonius 72–77; Cassius Dio 51, 8–10
  22. Cassius Dio 51, 13, 3-5 und 51, 14, 3–4
  23. Sueton, Augustus 17, 5

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