Legasthenie – Fremdwort der Woche

Es gibt so ein paar Worte, die Altsprachler+innen im Alltag wirklich wehtun. Sie rufen einen Würgereiz hervor, der sich bis zu körperlichen Qualen unbekannten Ausmaßes steigern kann. Und dazu gehört der Ausdruck „Bewegungslegastheniker“. Ok, das mit den körperlichen Qualen ist natürlich übertrieben. Aber trotzdem möchte man machmal den Kopf gegen die Wand hauen, wenn jemand diesen Begriff benutzt. So dumm ist er. 

Warum der Begriff „Bewegungslegastheniker“ nicht nett ist

Erst einmal grundsätzlich: Man kann sich darüber streiten, ob es schön ist, sich über Legasthenie lustig zu machen. Denn das tut der Begriff „Bewegungslegastheniker“ ja irgendwo, auch wenn es uns meistens nicht bewusst ist. 

Er besagt, dass man sich mit Bewegungen schwertut, die Koordination erfordern. Aber es handelt sich ja nicht um ein Krankheitsbild, sondern eher um eine witzige Bemerkung, mit der man eigentlich sagen möchte: „Ich bin ein bisschen blöd, was Koordination angeht.“

Im Umkehrschluss nimmt man damit aber auch den Begriff „Legasthenie“ nicht ganz ernst. Denn damit wären Betroffene ja Personen, „die ein bisschen blöd sind in Bezug auf Lesen und Schreiben“. Aber Legasthenie ist nun mal wirklich eine medizinisches Phänomen und mit realen Herausforderungen im Alltag und schlimmstenfalls auch psychischen Traumata verbunden.

Die Wortbedeutung

Aber auch dem Wort(un)sinn nach ist „Bewegungslegastheniker“ wirklich ein dämlicher Begriff. Wobei, vielleicht auch nicht. Vielleicht möchte jemand damit auch sagen, dass er*sie sich die Augen festgetackert hat, so dass sie sich nicht mehr von links nach rechts bewegen können.

Fangen wir aber erst mal vorne an. „Legasthenie“ ist ein lateinisch-griechisches Fremdwort. Es besteht aus lateinisch „legere“, was „lesen“ bedeutet, und aus dem altgriechischen Wort ἀσθένεια (asthéneia), was „Schwäche“ heißt. Damit bedeutet es zusammengesetzt erst einmal „Leseschwäche“. 

Heute verstehen wir den Begriff aber erweitert als „Lese-Rechtschreibschwäche“, weil viele Betroffene auch Schwierigkeiten mit dem korrekten Schreiben haben. Übrigens unterscheidet man auch einige Unterformen der Legasthenie, je nachdem, welche Bereiche (Lesen oder Schreiben) in welcher Form genau betroffen sind. 

Warum der Begriff „Bewegungslegastheniker“ doof ist

Es gibt übrigens noch einen Alternativbegriff, nämlich „Dyslexie“. Der stammt vollständig aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Lesestörung“. Dieser Ausdruck, der vor allem international verwendet wird, hat den Vorteil, dass er zum Gegenstück „Dyskalkulie“ passt. Damit ist die Rechenschwäche gemeint. 

So, und warum ist nun ein Begriff wie „Bewegungslegastheniker“ so schlimm? Na ja, man muss es nur mal zusammensetzen: Das ist jemand mit „Bewegungs-Leseschwäche“. Was soll das bitte sein? Das kann ja nur bedeuten, dass (s. o.) jemandem die Augen festgewachsen sind und diese Person beim Lesen immer das Buch (oder den Kopf?) von rechts nach links schieben muss, anstatt die Augen zu bewegen.

Natürlich gibt es ernsthafte medizinische Störungen, bei denen das eigene Bewegungs- oder Koordinationsvermögen eingeschränkt ist. Aber dafür gibt es andere Begriffe (z. B. „Dyspraxie“), die auch Sinn ergeben. „Bewegungslegastheniker“ gehört jedenfalls nicht dazu. 

Ihr wisst es nun also besser. Ich zähle auf euch, dass ihr diesen Begriff nicht mehr verwendet.

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