Die antiken Römer haben die Bilanz zwar nicht erfunden, aber immerhin stammt sie aus der Frühen Neuzeit aus Italien. Und im Kern ist das Wort dann doch wieder lateinisch und eine Metapher, die sehr schön veranschaulicht, was eine Bilanz überhaupt ist.
1494 wurde von Luca Pacioli erstmals ein Werk darüber hinausgegeben, wie man eine Bilanz aufzustellen hat. Pacioli war ein italienischer Mathematiker und Franziskanermönch. Dass sich ausgerechnet Mönche mit Handelsbilanzen befassten, mag etwas seltsam klingen, aber man darf nicht vergessen, dass auch in der Frühen Neuzeit Klöster noch sehr oft die Zentren der Wissenschaft waren. Pacioli war wohl „nur“ der Erste, der systematisch aufschrieb, was bei vielen italienischen Kaufleuten längst gängige Praxis war, nämlich die sogenannte „venezianische Methode“ der doppelten Buchführung.
Diese aus Venedig stammende und heute noch praktizierte doppelte Buchführung war revolutionär. Vereinfacht ausgedrückt bedeutete es, dass man einen Handelsposten, nehmen wir einfach mal ein paar Schuhe, doppelt verbuchte. Wenn ich das Paar Schuhe verkaufe, trage ich es einmal bei den Ausgaben ein. Denn das Paar Schuhe ist ja „weg“. Und gegenüber trage ich es noch einmal bei den Einnahmen ein, nämlich mit dem Preis, den ich dafür erzielt habe.
Wenn ich anders herum erst einmal einige Paar Schuhe einkaufen muss, um sie später weiterzuverkaufen, dann muss ich bei Haben auch verbuchen: 10 Paar Schuhe gekauft. Und ich muss auf der anderen Seite eintragen, was ich dafür bezahlt habe und wo das Geld herkommt, z. B. aus Eigenkapital.
Doppelt hält besser
So kann ich relativ übersichtlich sehen, wovon ich wieviel zu welchem Preis ge- und verkauft habe. Klingt unspektakulär, aber auf so eine übersichtliche Methode musste trotzdem erst einmal jemand kommen. Buchführung generell war nicht verpflichtend und, ob immer alle Kaufleute so eine gute Übersicht hatten, was sie verkauft, eingekauft, ausgegeben und später eingenommen hatten, ist zweifelhaft.
Dadurch, dass also jeder Posten immer mit einem Gegenwert auf der anderen Seite verbucht wird, sind bei der doppelten Buchführung auch immer beide Seiten gleich lang. Sie ist also ausgeglichen, könnte man sagen. Sagt man auch. Denn diese Art der Buchführung nannte Pacioli, der wie alle Gelehrten seiner Zeit selbstverständlich auf Latein schrieb, bilancia.
Dieses Wort setzt sich wiederum zusammen aus der Vorsilbe bi- für „zwei“ oder „doppelt“ und dem lateinischen Wort lanx, was „Waagschale“ bedeutet. Gemeint ist damit eine Balkenwaage mit zwei Waagschalen. Ihr wisst schon, dieses Ding, das Justitia meistens in der Hand hält. Es sähe wohl einfach doof aus, wenn sie, um dem Zeitgeist zu entsprechen, eine Digitalwaage halten würde. Außerdem kann man an dieser Balkenwaage auch viel besser sehen, was sie verdeutlichen soll: Etwas ist im Wortsinn ausgewogen bzw. ausgeglichen.
Eine Bilanz muss immer ausgeglichen sein. Beide Seiten müssen gleich lang sein. Sonst ist irgendwo ein Fehler drin. Heute wird der Begriff auch an vielen Stellen übertragen verwendet, z. B. bei einer „Umweltbilanz“ oder einer „Energiebilanz“, was aber meistens nur eine Aufstellung ist. Trotzdem wäre es doch schön, wenn auch diese Bilanzen ausgeglichen wären.
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