Katalog – Fremdwort der Woche

In Homers Ilias gibt es einen längeren Abschnitt, den fast alle gelangweilten Leser*innen gern überspringen: den Schiffskatalog. Konnte man also in der Antike schon Schiffe aus dem Katalog bestellen? Wurden die dann mit DHL geliefert oder wie lief das ab? Und was ist mit dem Hundekatalog in Ovids Metamorphosen? Irgendwas stimmt hier doch nicht. 

Bevor sich das jetzt am Ende noch festsetzt und eine weitere Verschwörungstheorie über die Antike geboren wird: Nein, man konnte natürlich in der Antike noch keine Sachen aus einem Katalog bestellen. Also, wir wollen an der Stelle nicht bestreiten, dass Händler vielleicht eine Auflistung von lieferbaren Waren besaßen, die sie ihren Kund*innen in die Hand drücken konnten. Aber ein Katalog in unserem modernen Sinn war das natürlich nicht. Aber es hat was mit dem Ursprung des Wortes zu tun. 

Bei einem κατάλογος (katálogos) handelt es sich nämlich um genau das: eine Aufzählung oder Auflistung. Das ist die Bedeutung dieses altgriechischen Wortes. In der Antike konnte damit praktisch jede Art von Aufzählung bezeichnet werden. Das konnten Waren und Preise sein, aber auch ganz simpel eine Liste von Schiffen oder Hunden. 

Kurzer Abstecher in die Literaturwissenschaft: In frühen geschichtlichen Epochen ohne schriftliche Aufzeichnungen erfüllten solche Aufzählung eine wichtige Funktion: Man konnte sie auswendig lernen und hatte so beispielsweise eine Liste aller wichtigen Herrscher und Völkerschaften der griechischen Welt im Kopf. 

Das ist (wahrscheinlich) der Hintergrund, vor dem der „Schiffskatalog“ in der Troja-Sage entstanden ist, den Homer in seine Ilias aufgenommen hat. Ähnliche Kataloge finden sich in vielen Werken der antiken Literatur und sogar im Alten Testament. Ovids Hundekatalog dagegen ist eine Parodie solcher Kataloge. 

Auch heute findet man den Begriff „Katalog“ gelegentlich in der Bedeutung „Aufzählung“ oder „Auflistung“. Man kann zum Beispiel von einem „ganzen Katalog von Fehlern“ sprechen. Meistens verwenden wir den Begriff aber nicht für reine Auflistungen, sondern für eine ansprechende Präsentation von käuflichen Artikeln und Produkten in gedruckter Form.

Andererseits: Sind Kataloge in dieser Form nicht sowieso eine aussterbende Spezies? In Zeiten von Online-Shops kommt es nur noch selten vor, dass man wirklich einen gedruckten Katalog zu Hause rumliegen hat. 

Aber trotzdem haben sie, auch wenn sie selten geworden sind, für einige Menschen noch immer ihren Charme. Denn Kataloge kann man in Ruhe bei einer Tasse Tee abends auf der Couch durchblättern. Und Eselsohren an den Stellen reinmachen, an denen man was Interessantes entdeckt hat. Das ist doch was ganz Anderes als Bookmarks auf einem iPad.

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