„Ich bin echt ein bisschen enttäuscht. Mein bester Freund meldet sich nur noch sporadisch.“ „Acht echt, ist der ausgewandert?“ „Ähm nee… wieso?“ „Ach so, sorry, ich musste bei ‚sporadisch’ grad irgendwie an Mama Mia denken.“ „Wtf?“
Der schöne Teil mit viel Sonne, Strand und Meer
Das Wort „sporadisch“ ist eigentlich irgendwie ganz süß. Denn wenn man sich mit Griechenland ein bisschen auskennt, muss man da unweigerlich sofort an die „Sporaden“ denken. Das ist eine Gruppe kleiner, verstreuter Inseln in der Ägais. Samos, Kos und Rhodos kennt man dem Namen nach, kleinere wie Skyros oder Skiathos sind wohl nur Expert*innen ein Begriff. Da kann man ein bisschen ins Träumen kommen: Alles hinter sich lassen, in den nächsten Flieger steigen und auf einer kleinen, einsamen Sporaden-Insel ein kleines Häuschen beziehen. Blaue Strände, tolles Wetter und vom Schlafzimmer aus ein herrlicher Blick auf das weite Meer. Ja, das hat was. Und es erinnert wirklich ein bisschen an Mama Mia. Also, den Film.
Und ja, das Ganze hat auch wirklich was mit dem Ausdruck „sporadisch“ zu tun. Sowohl dieses Wort als auch die Bezeichnung „Sporaden“ für die Inselgruppe haben denselben Ursprung. Denn beides bedeutet „verstreut“.
Es gibt da zwei altgriechische Wörter, die das widerspiegeln, nämlich einmal das Adjektiv σποραδικός (sporadikós) und zum anderen das Adverb σποράδην (sporáden). Beides heißt dasselbe, nämlich eben „verstreut“ und kommt auch in antiken Texten vor, zum Beispiel bei Aristoteles oder bei Thukydides.
Und diese beiden Namen sind schon ein erster Hinweis darauf, wie die Wörter verwendet wurden. Denn meistens stehen sie da, um Sozialstrukturen zu beschreiben: Menschen (oder auch Tiere), die „verstreut“ leben, also keine größeren gesellschaftlichen Strukturen ausbilden.
Aber eben auch zur Bezeichnung der Inselgruppe griff man schon in der Antike auf das Wörtchen zurück. Weil die Sporaden so verstreut im Meer liegen und vielleicht auch weil die Menschen auf diesen Insel zwangsläufig ebenso verstreut lebten, bürgerte sich dieser Name ein.
Der langweilige Teil mit Wissenschaft und so
So, Leute. Ich bin Sprachwissenschaftler und stehe dazu. Und ein Wörtchen wie σποραδικός (sporadikós) kann ich nicht einfach liegen lassen, ohne es auch in dieser Hinsicht zu kommentieren. Da müsst ihr leider jetzt durch.
Denn es ist ein wunderbares Beispiel für ein uraltes sprachgeschichtliches Phänomen, das wir „Ablaut“ nennen. Das kennen wir heute übrigens immer noch. Wir lauten dauernd lustig irgendwelche Vokale ab, um eine andere Wortart zu bilden. Wir sagen „binden“, aber der Gegenstand, mit dem wir das machen ist ein „Band“. Aus -i- wird -a-. Auch das ist ein Ablaut. Man sieht also: Das Ablauten ist über die Jahrtausende nie ganz aus der Mode gekommen.
Es gab in der indogermanischen Ursprache bestimmte Stufen dieser Ablautung. Jede dieser Stufen hatte eine bestimmte Funktion zur Bildung von Wörtern aus einer gemeinsamen Wortwurzel. Und Altgriechisch ist auch deswegen eine tolle Sprache, weil man diese Stufen oft noch sehr gut sehen kann.
So ist es auch hier. Das zugehörige Verb heißt σπείρω (speiro, gesprochen aber spêro). Es heißt „säen“ und damit auch „verstreuen“. Übrigens: Das Wort „Sperma“ kommt auch daher. Und das deutsche Wort „Spreu“ ist damit direkt verwandt.
Wie man an dem e-Laut in σπείρω (spêro) sehen kann, handelt es sich um eine e-Stufe. Alle ursprachlichen Verben hatten ein -e-. Wenn man ein dazugehöriges Nomen bilden wollte, griff man zur o-Stufe. So wird aus σπειρ- (sper-) der neue Stamm σπορ- (spor-). Und so kommt es, dass das Adjektiv σποραδικός (sporadikós) mit -o- heißt.1
Ist das nicht spannend? Nein? Ok, dann nicht. Träumen wir lieber weiter von kleinen griechischen Inseln mit weißen Stränden und Sonnenschein, auf denen wir die Welt einfach mal ausblenden können.
- Für Fachleute hier die Sachen, die ich bei der Erklärung der Einfachheit unterschlagen habe: Der Wortstamm lautete *sperj-, es folgte der Ausfall des halbvokalischen j mit nachfolgender Ersatzdehnung des vorangegangenen Vokals. So kommt es zum Wortstamm spêr-. Die Ablautung zu spor- fand aber schon vor dem Ausfall des halbvokalischen j statt, so dass man regelkonform die e-Normalstufe im Verbstamm und die o-Normalstufe in den Nominalformen ansetzen kann. Bei der Entwicklung zum Althochdeutschen wurde das halbvokalische -j- zum Vokal -i-. Das althochdeutsche „spriu“ führt zu neuhochdeutsch „Spreu“. ↩
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