Wie Perseus zum Sternbild wurde

In dieser Woche war wie in jedem August wieder der Höhepunkt des Perseiden-Stroms, d. h. es waren ungewöhnlich viele Sternschnuppen am Nachthimmel zu sehen. Der Meteorsturm hat seinen Namen daher, dass er aus dem Sternbild Perseus zu kommen scheint. Doch wie ist der antike Held eigentlich an den Himmel gekommen? Wir beleuchten heute den mythologischen Hintergrund.

Auch ein antiker Halbgott konnte natürlich nicht einfach auf dem (betretbar gedachten) Himmel herumspazieren, sich ein lauschiges Plätzchen suchen und dann einfach da bleiben. Wer ein Sternbild wurde, entschieden immer noch die Göttinnen und Götter. Und dafür musste man schon ein bisschen was leisten oder eine besonders bewegende Geschichte haben – wie in einer RTL-Castingshow, nur eben größer. In Perseus’ Leben hat es drei wichtige Frauen gegeben, anhand derer sich seine Geschichte gut erzählen lässt: Seine Mutter Danaë, seine Gegnerin Medusa und seine Frau Andromeda.

Willkommen bei einem der merkwürdigsten Zeugungsakte der Antike

Es geht auch schon direkt mit den Geheimzutaten für spannende antike Mythen los: Seltsame Familienverhältnisse und ein Orakel. Perseus’ Mutter Danaë war die Tochter des Königs Akrisios von Argos. Dieser König hatte den Orakelspruch erhalten, dass er keinen Sohn haben und sein Enkel ihn töten werde.1 Und wie jeder Mensch in der Antike, der ein schlechtes Orakel erhält, von Ödipus’ Eltern bis Krösus, versucht auch Akrisios seinem Schicksal zu entgehen. Akrisios hatte nur eine Tochter, nämlich Danaë. Damit war die Gefahr, wer hier Enkel anschleppen könnte, leicht ausgemacht.

Akrisios verbietet Danaë zu heiraten. Aber auch in der Antike wusste man schon, dass nicht verheiratet sein, kein Verhütungsmittel ist. Deshalb griff er dann doch zu ziemlich rigorosen Maßnahmen. Denn die sicherste Methode, um nicht schwanger zu werden, war besonders damals, einfach keinen Sex zu haben. Akrisios sperrt Danaë also in einem Verlies mit undurchdringlichen Türen ein und lässt es von wilden Hunden bewachen.2 Gegen antike Mythologie ist eine durchschnittliche Folge „Hilf mir!“ gar nichts.

Danaë im goldenen Regen, um 450 v. Chr. (gemeinfrei)

Das mag vielleicht Männer abhalten, aber keine Götter. Und diese Herausforderung weckte das Interesse des Zeus. Zeus hatte sich schon oft merkwürdige Methoden einfallen lassen, um (meistens) ahnungslose Frauen zu überraschen und zu schwängern. Aber dieses Mal übertrifft er sich selbst. Er verwandelt sich in eine Wolke, kann so in das Verlies eindringen und dann als goldener Regen auf Danaë herabregnen und sie so schwängern.3 Das ist selbst für die Antike bizarr. In der Top 10 der merkwürdigsten Zeugungsakte der Antike käme dieser hier, die Zeugung des Perseus, bestimmt unter die ersten drei.

Bei aller Skurrilität sei an der Stelle noch einmal festgehalten, dass Perseus ein Halbgott ist. Das ist bei dem Versuch ein Sternbild am Himmel zu ergattern, meistens schon eine ganz gute Vorraussetzung.

Mutter mit Kind auf der Flucht

Danaë kann natürlich nicht ewig verheimlichen, dass sie schwanger ist. Dummerweise glaubt ihr Vater ihr die Geschichte mit dem goldenen Regen und dem göttlichen Kind irgendwie nicht.4 Als das Kind geboren und zu allem Überfluss auch noch ein Junge ist, setzt Akrisios beide zusammen auf einem winzigen Floß aus. Mutter und Kind drohen in der Ägäis zu ertrinken, aber auf der Insel Seriphos rettet sie ein Fischer. Leider ist der dortige König aber kein besonders netter Mensch und beginnt Danaë über Jahre hinweg immer wieder zu belästigen, weil sie ihn nicht heiraten will.

Als Danaës Sohn, der inzwischen auf den Namen Perseus hört, erwachsen wird, fordert er vom König, ihn und seine Mutter gefälligst endlich in Ruhe zu lassen. Das passt dem König natürlich gar nicht. Er verspricht Perseus aber, dass er seine Mutter in Ruhe lassen werde, wenn er ihm den Kopf der Medusa besorgt. Er weiß, dass er Perseus damit auf ein Himmelfahrtskommando schickt und erwartet auch nicht, dass er zurückkommt. Denn Medusas Versteck, irgendwo am Rand der Welt, hat bisher noch kein Mann lebendig verlassen.

Auch im Olymp hat sich der Auftrag, den Perseus erfüllen soll, herumgesprochen. Hermes und Athene wollen ihn bei seiner Mission unterstützen. Athene hat auch persönlich Gründe für eine Rache an Medusa, aber das auch noch zu erläutern, würde zu weit führen.5 Hermes gibt Perseus eine Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht, und seine Flügelschuhe mit auf die Reise, Athene schenkt ihm einen verspiegelten Schild.

Der tödliche Blick der Medusa

Medusa ist bis heute eines der am stärksten rezipierten Monster der Antike. Sie taucht in moderner Literatur, in Filmen und in Videospielen auf. Das mag auch daran liegen, dass ihr Wiedererkennungswert relativ hoch ist.

Medusa, Carlos Schwabe, 1890 (gemeinfrei)

Wir lassen, wie gesagt, ihre Vorgeschichte aus und erwähnen hier nur, dass Medusa es auch nicht leicht hatte. Zu Perseus’ Lebzeiten sieht sie bereits so aus, wie man sie auch heute noch kennt: Statt Haaren zischen wilde Schlangen um ihren Kopf und jeder Mann, der ihr in die Augen blickt, wird auf der Stelle versteinert. Das weiß auch Perseus, als er sich auf den Weg zu ihrem geheimen Unterschlupf macht. Er ahnt, dass er auf dem richtigen Weg ist, als immer mehr verängstigt blickende Steinstatuen am Wegesrand auftauchen.

Er entdeckt schließlich bei Nacht eine kleine Hütte und kundschaftet diese aus.6 Medusa wohnt nicht alleine, sondern ihre beiden Schwestern sind bei ihr. Im Gegensatz zu Medusa sind diese unsterblich und sollte Perseus einer von den beiden in die Hände fallen, ist es sowieso aus. Zeit für die göttlichen Requisiten! Perseus zieht die Tarnkappe auf, um ungesehen im Dunkeln an den schlafenden Schwestern vorbeizuschleichen. Er nimmt sein Schwert und den Spiegelschild zur Hand und will der ebenfalls schlafenden Medusa den Kopf abschlagen. Doch in dem Moment reißt sie die Augen auf. Ihr tödlicher Blick trifft auf den verspiegelten Schild und wird zurückgeworfen. So kann Perseus doch noch ihren Kopf abtrennen. Die beiden Schwestern, die Medusa zur Hilfe kommen wollen, können Perseus aber wegen der Tarnkappe nicht sehen, so dass er entkommen kann.

Wie das Atlasgebirge entstanden ist

Er verstaut Medusas Kopf, dessen Blick immer noch versteinern kann, vorsichtig und fliegt mit den Flügelschuhen davon. Er hat mit Medusas Tod den Göttinnen und Göttern des Olymp, insbesondere Athene, einen Gefallen getan. Das gibt auf der Sternbild-Stempelkarte bestimmt ein paar Extrapunkte.

Auf dem weiten Weg nach Hause kommt er auch im heutigen Marokko vorbei. Dort befindet sich auch das zu Hause des Riesen Atlas, bei dem Perseus eine kurze Pause einlegt, um sich auszuruhen. Atlas und Perseus verstehen sich auch ganz gut, bis Perseus erwähnt, dass er ein Sohn des Zeus sei. Atlas gerät, für Perseus völlig unerwartet, in Panik und wird dann sehr, sehr unfreundlich.7

Perseus erfährt, dass Atlas das Orakel erhalten hat, dass ein Sohn des Zeus die goldenen Äpfel aus seinem Garten klauen werde.8 Naja, Atlas hat den falschen Sohn des Zeus, aber das weiß er ja nicht. Und Perseus kann auch hundertmal betonen, dass er kein Interesse an dem blöden Obst hat, Atlas will ihn loswerden. Am besten endgültig. Gegen den Riesen hat Perseus keine Chance, Atlas drängt ihn in die Ecke und droht ihn in seinen gewaltigen Pranken zu zerquetschen. Im letzten Moment kann Orpheus den Kopf der Medusa aus seiner Tasche ziehen und richtet ihn auf Atlas. Der Riese versteinert und wird zu einem Gebirge – dem Atlasgebirge eben.9

Jungfrau in Nöten (fortgeschritten)

Auf dem Weg nach Osten kommt Perseus etwas vom Kurs ab und fliegt mit den Flügelschuhen versehentlich bis nach Äthiopien.10 Das ist nicht das heutige Äthiopien. Äthiopien war in der Antike der Begriff für alles, was vom östlichen Afrika südlich von Ägypten sonst noch so bekannt war. An einer Meeresküste (deshalb wohl nicht im heutigen Äthiopien) sieht er eine junge Frau, die an einen Felsen gekettet ist. Die Äthiopierin ist auch erstaunlicherweise weiß, nämlich so weiß, dass Perseus sie zunächst für eine Marmorstatue hält.11

Perseus rettet Andromeda vor dem Seeungeheuer, Paolo Veronese 1576 – 1578 (gemeinfrei)

Als er der Schönheit näher kommt, weigert sie sich auch trotz ihrer misslichen Lage mit ihm zu sprechen. Wirkt ein bisschen komisch, aber soll natürlich ein Zeichen für den Anstand der jungen Frau sein. Anständige Frauen lassen sich nicht von fremden Männern auf der Straße anquatschen – oder an einer schmalen Felsenklippe mit den Füßen schon halb in der Brandung. Damit er aber nicht denkt, es sei ihre Schuld, dass man sie dort angekettet hat, erzählt sie ihre Geschichte dann doch noch.

Sie ist Andromeda, die Prinzessin von Äthiopien. Ihre Mutter Kassiopeia hat damit angegeben, dass sie12 schöner sei als die Nereiden, die Begleiterinnen des Poseidon. Fand Poseidon nicht witzig und drohte im Gegenzug direkt die ganze Stadt dem Erdboden gleichzumachen, indem er ein riesiges Meeresungeheuer an die Küste schickte. Das Orakel empfahl daraufhin Andromeda zu opfern, um Poseidon zu besänftigen. Blöd gelaufen für Andromeda.

Für mehr  Erklärungen ist aber auch keine Zeit, denn das Ungeheuer rückt an, um Andromeda zu fressen. Perseus schwingt sich auf den Flügelschuhen erneut in die Luft, sticht mit seinem Schwert mehrmals auf das Riesenmonster ein und kann es in einem langen Kampf schließlich besiegen.

Andromedas Eltern sind so erleichtert, dass sie Perseus sofort versprechen, dass er Andromeda heiraten und König von Äthiopien werden kann.[Ovid, Metamorphosen IV 736-739] Auch Andromeda hat Gefallen an Perseus gefunden und sagt sofort ja zur Hochzeit. Die beiden kennen sich zwar erst eine halbe Stunde, aber immerhin hat er ihr das Leben gerettet. Das würde auch kein Hollywood-Film heute anders machen.

Der ungebetene Gast auf deiner Hochzeit – dein Verlobter

Man trifft also eiligst die Vorbereitungen für die Hochzeit der beiden. Dummerweise hatte man dabei ein winziges Detail vergessen. Nicht nur Perseus hatte etwas schwierige Familienverhältnisse, auch auf Andromedas Seite gab es da ein kleines Problem: Denn Andromeda war eigentlich schon mit ihrem Onkel verlobt.13

Phineus, besagter Onkel und Verlobter, lässt es sich nicht nehmen, die Hochzeit zu crashen. Und die Torte umzuwerfen oder den Feiernden den Strom abzudrehen, sind nicht ganz seine Kragenweite. Er rückt direkt mit einer Horde Bewaffneter an, die auf die Hochzeitsgäste losgeht. Er will seine Braut zurück, notfalls mit Gewalt. Gekränkte Männeregos konnten auch in der Antike schon fatale Folgen haben. Andromedas Vater geht dazwischen und fragt ihn, wo er denn gewesen sei, als man Andromeda an den Felsen gekettet hat. Als Andromeda fast gestorben ist. Als sie von einem Meeresungeheuer gefressen werden sollte. Wäre es nach ihm gegangen, wäre Andromeda ohnehin tot. Also habe er auch kein Recht sie zu heiraten.14

Doch Phineus hält sich nicht lange mit seinem Nun-doch-nicht-Schwiegervater auf. Er hat es auf Perseus abgesehen. Im Festsaal bricht ein Tumult aus.15 Phineus verhält sich dabei ziemlich feige, weil er immer seine Männer in den Kampf gegen Perseus vorschickt. Perseus kann auch einen nach dem anderen besiegen, aber es sind einfach zu viele. Er brüllt seinen Verbündeten zu, sie sollen ihren Blick abwenden und zieht dann den Kopf der Medusa aus seiner Tasche.16 Phineus und seine Männer versteinern an Ort und Stelle, die Hochzeitsgäste bleiben verschont.

Tod durch Diskus

Auch wenn Perseus und Andromeda sich ihre Hochzeit wahrscheinlich etwas anders vorgestellt haben, werden die beiden in Äthiopien glücklich. Noch in ihrem ersten Ehejahr bringt Andromeda einen Sohn zur Welt. Doch Perseus beschleicht das schlechte Gewissen. Denn eigentlich hatte er sich ja auf den Weg gemacht, um seine Mutter zu retten. Er beschließt Andromeda zu sagen, dass er nicht in Äthiopien bleiben kann. Aber Andromeda will auch nicht mehr ohne ihn leben und mit ihm gehen. Schweren Herzens auf beiden Seiten verlässt Andromeda ihre Eltern, die auch kein weiteres Kind haben, um Perseus nach Griechenland zu folgen. Andromedas Eltern ziehen den Sohn von Perseus und Andromeda wie ihren eigenen Sohn auf. Dieser Sohn, Perses, wird später einmal der Stammvater der Perserkönige.

Zurück in Griechenland macht Perseus mit dem König von Seriphos, der seiner Mutter nachstellt, kurzen Prozess. Natürlich glaubt der König ihm nicht, dass er das Haupt der Medusa beschafft hat. Erst als Perseus es aus seiner Tasche zieht und ihm entgegenstreckt, erkennt der König seinen Irrtum – leider ein bisschen zu spät.17 Danaë ist nun auch in Sicherheit. Da Perseus nun alles erreicht hat, wofür er gekämpft hat, gibt er Hermes und Athene die göttlichen Gegenstände zurück, die sie ihm geliehen haben. Auch den Kopf der Medusa schenkt er Athene. Fortan klebt er auf ihrem Schild, um Feinde abzuwehren.

Es könnte alles so schön sein, aber Perseus will noch erfahren, wo er eigentlich herkommt. Auf dem Weg nach Argos, das Königreich seiner Mutter, nimmt er in der Stadt Larisa an einem Wettkampf im Diskuswerfen teil. Da Perseus ja ein Halbgott ist, kann er den Diskus auch besonders weit und besonders kraftvoll werfen. Dabei trifft er allerdings versehentlich einen alten Mann mit dem Diskus und verwundet ihn tödlich. Wie sich herausstellt, handelt es sich dabei um seinen Großvater, den König von Argos, der erfahren hatte, dass Perseus auf dem Weg nach Argos ist und sich in Larisa in Sicherheit bringen wollte. Orakel erfüllen sich immer.18

Am Sternenhimmel

Nach dem Tod seines Großvaters werden Perseus und Andromeda nun das Königspaar von Argos. Sie leben noch lange glücklich zusammen. Und auch in seinem Sternbild-Fleißheft kann Perseus einiges verbuchen: Er hat seine Mutter gerettet, für die Göttin Athene Medusa besiegt und seiner Frau das Leben gerettet. Am Ende seines Lebens versetzen die Göttinnen und Götter ihn dafür zusammen mit Andromeda, ihrer Mutter Kassiopeia und dem Seeungeheuer an den Himmel.19

Das Sternbild Perseus am Nachthimmel, fatso – Stellarium 0.8.2, 2007 (CC BY-SA 3.0)

Und von dort strahlen sie auch alle heute noch hinab. Für die Perseiden-Sternschnuppen, die wir dieser Tage wieder beobachten konnten, gibt es aus der europäischen Antike übrigens noch keine gesicherte Beobachtung. Die ersten dokumentierte Sichtung stammt aber aus dem Jahr 36 v. Chr. aus China.

  1. Hyginus, Fabulae 63
  2. Hyginus, Fabulae 63
  3. Ovid, Metamorphosen VI 113
  4. Ovid, Metamorphosen IV 609-611
  5. Ovid, Metamorphosen IV 791 – 823
  6. Ovid, Metamorphosen IV 772-803
  7. Ovid, Metamorphosen IV 649-652
  8. Ovid, Metamorphosen IV 643-645
  9. Ovid, Metamorphosen IV 656 f.
  10. Ovid, Metamorphosen IV, 663-752
  11. Ovid, Metamorphosen IV, 675
  12. je nach Überlieferung Andromeda oder Kassiopeia selbst
  13. Ovid Metamorphosen V 10-12
  14. Ovid, Metamorphosen V 12-29
  15. Ovid, Metamorphosen V 30-45
  16. Ovid, Metamorphosen V 177-235
  17. Ovid, Metamorphosen V 242 – 249
  18. Bibliotheke des Apollodor 2.4.4
  19. Ovid, Metamorphosen IV 614f.

Schlagwörter:

Kommentare

Eine Antwort zu „Wie Perseus zum Sternbild wurde“

  1. […] Sache: Wer die Geschichten rund um Perseus etwas genauer nachlesen möchte, kann das in einem Blogpost tun, den wir seinerzeit über ihn schon mal veröffentlicht […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert