Bei einer Kathedrale denken wir meistens an eine große, prunkvolle Kirche. Wie das Kirchengebäude aussieht, ist dabei aber eigentlich egal. Wichtig ist ein oft auch unscheinbares Möbelstück im Innern.
Der Aachener Dom ist eine Kathedrale. Der sehr viel größere Berliner Dom dagegen nicht. Der Kölner Dom wiederum schon. Und der Bremer Dom war mal eine Kathedrale und ist heute keine mehr. Nicht jede Kirche ist also eine Kathedrale – und auch nicht jeder Dom. Auf die Größe kommt es auch hier mal wieder nicht an. Was es braucht, um aus einer Kirche eine Kathedrale zu machen, steckt bereits im Wort. Und das hat mit Christ*innen zunächst mal gar nichts zu tun.
Eine kathédra (καθέδρα) bzw. im Lateinischen eine cathedra ist nämlich zunächst mal einfach nur ein Sessel oder ein bequemer Stuhl mit Rückenlehne. Die cathedra wird oft im Zusammenhang mit dem berühmtesten Sitzmöbel der Antike als dessen Gegenstück verwendet, nämlich der klíne (κλίνη). Dabei handelt es sich um die bekannten Speisesofas, auf denen man in Griechenland und Rom zu Tisch lag. In der römischen Frühzeit haben Frauen beim Essen auf einer cathedra gesessen, während Männer auf einer kline lagen. Diesen Unterschied hat man aber relativ schnell aufgegeben.
So eine cathedra gibt es auch in jeder Kathedrale. Und auf ihr dürfen ironischerweise bis heute nur Männer Platz nehmen. Natürlich auch längst nicht jeder Mann. Denn man ahnt es schon: Um aus einer Kirche eine Kathedrale zu machen, reicht es nicht aus in einem schwedischen Möbelhaus einen Sessel mit lustigem Namen zu kaufen und diesen in die Kirche zu schieben.
Neue Sitzmöbel für die Kirche
Die Kathedra in der römisch-katholischen Kirche ist nämlich nicht einfach irgendein Sessel. Sie ist der Chefsessel. Sie steht meist gut sichtbar im Altarraum und auf ihr nimmt der Bischof Platz, um von dort zu lehren und seine Gemeinde zu leiten. Dafür muss die Kirche natürlich entsprechend als Bischofskirche geweiht sein. Ohne Bischof keine Kathedrale. Die Kathedrale, die auf das Wort cathedra zurückgeht, ist also sogar wortwörtlich ein Bischofssitz.
Das gilt im Übrigen nur für römisch-katholische und orthodoxe Kirchen. Auch in der evangelischen Kirche gibt es zwar Bischöf*innen, die anderen Pfarrer*innen gegenüber eine Leitungsfunktion haben. Ihre Kirchen sind allerdings keine Kathedralen, weil sie nicht entsprechend als solche geweiht sind.
Wer also demnächst mal in einer Kathedrale vorbeikommt, kann ja mal Ausschau halten, ob er die namensgebende Kathedra findet. Um die Suche etwas zu erleichtern, haben wir exemplarisch ein Foto der Kathedra im Aachener Dom gemacht. Neben dem Thron von Karl dem Großen ist sie dort aber auch nur der zweitwichtigste Stuhl.
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