Legende – Fremdwort der Woche

Legenden begegnen uns an mehreren Stellen: Es können Erzählungen sein, die etwas ausgeschmückt und fantastisch sind und ähnlich wie Mythen funktionieren. Legenden können auch unter Landkarten stehen, damit man sie richtig versteht. Und auch Personen können mittlerweile Legenden sein. Dem Wortsinn nach sollte das aber nur hinhauen, wenn die Leute stark tätowiert sind.

Das Wort Legende ist lateinischen Ursprungs und wurde auch in der Antike schon verwendet. Es kommt von legere, was „lesen“ bedeutet. Eine Legende ist entsprechend das, was man lesen muss. Seine spezielle Bedeutung, auf die unsere heutige Verwendungsweise von Legende zurückgeht, bekam das Wort aber erst im Mittelalter. Denn dort gab es ganz bestimmte Texte, die Legenden waren, also Texte, die man lesen musste.

Das waren Heiligenviten. Diese Texte, die die großen Verdienste der Heiligen im Christentum priesen, mussten gelesen werden, weil sie als Vorbild dienen sollten. Das galt insbesondere für Menschen, die im Mittelalter überhaupt lesen konnten, nämlich überwiegend Geistliche. Alle anderen sollten die Geschichten also nicht direkt lesen, aber sie sich zumindest anhören, damit man sich am Leben des oder der Heiligen ein Beispiel nehmen konnte.

Diese Heiligenbiographien sind nicht in unserem modernen Sinn Biographien. Es ging nicht darum, einen möglichst guten Einblick in die Persönlichkeit und interessante Fakten aus dem Leben wahrheitsgemäß wiederzugeben. Das Leben der Heiligen wurde ausgeschmückt, überladen, bereinigt, überhöht, moralisiert. Heilige sind darin Menschen ohne Fehl und Tadel. Dementsprechend taugen diese Schriften nur sehr bedingt als historische Quellen. 

Daher finden sich auch schon mal sehr fantastische Geschichten in diesen Biographien – Wundertaten und andere höchst unwahrscheinliche Berichte. Auch heute verstehen wir unter einer Legende ja noch eine Geschichte, die auch übernatürliche Elemente enthält oder enthalten kann. Jedenfalls würde wohl niemand glauben, dass eine „Legende“ tatsächlich so passiert ist und dass sie vielleicht allenfalls einen wahren Kern hat. Seinen Ursprung hat das Ganze in den christlichen Heiligenviten, die auch sehr fantasievoll waren – und eben Legenden im Wortsinn: Menschen sollten diese Geschichten lesen.

Das gilt heute wohl noch am ehesten für die Legenden auf Landkarten. Die sollte man auch lesen, bevor man anfängt, sich eine Deutung der Karte zurechtzulegen. Dass auch Menschen Legenden sein können, dürfte aus den übernatürlichen Fähigkeiten von Heiligen und anderen Menschen in späteren Legenden herrühren und aus der Tatsache, dass sie allgemein bekannt sind. Der Wortursprung „lesen“ ist also im Bezug auf Menschen heute nicht mehr so sehr gegeben, auch wenn man schon mal sagt, dass jemand ein offenes Buch ist.

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